Perlen der modernen Architektur – 12. April 2024
Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) zählt neben Le Corbusier, Frank Lloyd Wright und Walter Gropius zu den wichtigsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Als das Haus Lemke entworfen und gebaut wird, ist Ludwig Mies van der Rohe Direktor am Bauhaus.
Mit Haus Lemke demonstriert Mies seine Liebe zum Backstein: Hier wählt Mies einen besonders einfachen, rotbunten Ziegel, der zu einer schönen und lebendigen Oberfläche veredelt wird. Das Haus für das Ehepaar Lemke ist Mies’ letzter Wohnhausbau, bevor der Architekt 1938 nach Amerika emigriert.
Mit diesem Bau zeigt Mies vor allem, dass sich die Wohnbedürfnisse des modernen Menschen auch mit wenigen Mitteln verwirklichen lassen. Mit minimalistischen Mitteln erreicht Mies eine maximale Qualität. Oder wie Mies es formulierte: „Verwechseln Sie bitte nicht das Einfache mit dem Simplen“. Haus Lemke ist ein wichtiger Schritt auf der Miesschen Suche nach der „Wahrheit“ in der Architektur.
HP Mies van der Rohe Haus – Architekt
Ludwig Mies van der Rohe entwirft das Landhaus Lemke 1932. Nach einer Reihe von unterschiedlichen Vorentwürfen, die auch zweigeschossige Varianten beinhalteten, kristallisierte sich schließlich, auch aus Kostengründen, ein im Grundriss L-förmiger Haustyp heraus.
Die Planung zum Haus Lemke wird im Juli 1932 bei der Baupolizei in Weißensee eingereicht. Im August 1932 beginnen die Bauarbeiten. Bereits im März 1933 erfolgt die Gebrauchsabnahme des Hauses. Karl und Martha Lemke bewohnen das Haus bis 1945.
Im Oktober 1945 requiriert die Rote Armee das Gebäude und benutzt es als Garage. Ab den 1960er Jahren bis zum Fall der Berliner Mauer wird das Haus von der Staatsicherheit der DDR u.a. als Wäschedepot, Hausmeisterwohnung oder Küche genutzt. Dabei kommt es zu zahlreichen Umbauten und Veränderungen in Haus und Garten.
1977 wird das ehemalige Haus des Druckereibesitzers vom Magistrat von Ost-Berlin unter Denkmalschutz gestellt. Durch bürgerschaftliches Engagement während der politischen Wende in der DDR gelangt das Haus 1990 in die kommunale Trägerschaft des Bezirkes Berlin-Höhenschönhausen, heute Berlin-Lichtenberg. Das Haus wird öffentlich zugänglich und erhält eine zeitgemäße Nutzung. Von 2000 bis 2002 erfolgt auf der Basis von historischen Plänen eine denkmalpflegerische Grundinstandsetzung von Haus und Garten.
HP Mies van der Rohe Haus – Geschichte
Das kinderlose Ehepaar Karl und Martha Lemke wünschte sich von Mies ein „kleines und bescheidenes Wohnhaus“ das „an schönen Tagen zum Garten hin erweitert“ werden könnte.
Karl Lemke war Besitzer einer Graphischen Kunstanstalt und Druckerei mit Sitz in der Mühlenstraße in Berlin-Friedrichshain. Die Firma von Karl Lemke arbeitete häufig für Museen, Kunstinstitutionen und Künstler. Wegen ihrer hohen Qualität hatten die „Lemke-Klischees“ einen guten Ruf.
Als Geschäftsmann nutzte Karl Lemke sein Wohnhaus auch für repräsentative Zwecke. Er schätzte die moderne Architektur und nutzte sie auch zur Selbstdarstellung. So gab er auf der Terrasse des Hauses vor der malerischen Kulisse des Obersees Empfänge für seine Geschäftskunden.
Karl Lemke war Kunstliebhaber. Lemkes Nachlass, darunter eine kleine und feine Gemäldesammlung, eine Uhrensammlung und die Möbel aus Mies’ Hohenschönhausener Haus, gelangte nahezu vollständig in öffentliche Museen in Berlin.
HP Mies van der Rohe Haus – Die Bauherren
Die ursprüngliche Möblierung des Hauses nahm Mies’ Architekturbüro vor. Sowohl Mies van der Rohe als auch seine damalige Lebensgefährtin und Arbeitskollegin Lilly Reich entwarfen die Möbel für das Haus Lemke. Das Arbeits- und das Schlafzimmer wurden vollständig mit ihren Entwürfen ausgestattet, während für das Wohnzimmer ältere Möbel aus Beständen des Ehepaars mit einbezogen wurden.
Mies und Reich statteten das Wohnhaus nicht, wie historische Reklamefotografien der Firma Thonet von 1933 suggerieren, mit den Miesschen Stahlrohrmöbeln aus, sondern durchgehend mit Holzmöbeln. In jedem Raum kam eine andere Holzart zu Einsatz.
Zitronenholz wurde für einen wandgroßen Kleiderschrank und das Doppelbett im Schlafzimmer ausgewählt. Aus Makassar-Ebenholz wurden die Schreibtischkombination, der Bücherschrank und ein quadratischer Tisch für das Arbeitszimmer gefertigt. Einige Möbel, wie das Doppelbett, der Schreibtischstuhl, der Herrensessel und die Sitzhocker, wurden zudem mit gelbem Schweinslederpergament bezogen.
Die Möbel aus dem Nachlass Lemke lassen sich heute in der Sammlung des Kunstgewerbemuseums in Berlin besichtigen.
HP Mies van der Rohe Haus – Möblierung
Das Büro des Staudenzüchters Karl Foerster in Potsdam-Bornim übernahm die Planung des Gartens von Haus Lemke. Foersters Büropartnerin Herta Hammerbacher gestaltete den Garten unter Berücksichtigung bereits vorhandener Pflanzbestände und baulicher Anlagen aus den Vorgängergärten.
Die prinzipielle Gliederung des Grundstückes und der Außenanlagen geht jedoch auf das Miessche Entwurfskonzept zurück. Der Garten Lemke stellt eine Übergangszone zwischen Haus und Parklandschaft am Obersee dar, indem das Gestaltungskonzept auf die Form des Hauses reagiert und zurückhaltend in die Umgebungslandschaft überleitet.
Der ebenerdige Übergang vom Innenraum in den Garten über eine sich stufenlos anschließende Wohnterrasse und eine locker bepflanzte Rasenfläche rückt das Innere des Hauses, stärker als bei früheren Projekten von Mies an die Landschaft heran. Haus und Garten ergänzen sich gegenseitig.
Besondere Akzente, die das Zusammenspiel von Innen- und Außenraum unterstreichen, werden bewusst eingesetzt. Dazu gehört der das Zentrum des Gebäudes markierende Walnussbaum auf der Wohnterrasse oder die Hainbuchenhecke, die als verlängerte Hauswand das Innen mit dem Außen verzahnt.
HP Mies van der Rohe Haus – Garten