Ein verlängertes Wochenende mit SchAppi und Veronika in der Metropole.
Vor Abflug wird noch ein dringend gefordertes Corona-Formular ausgefüllt und hochgeladen, der erzeugte QR-Code wird abgespeichert und mit zu den Unterlagen genommen. Und das wars dann auch. Es interessiert nicht, wir müssen lediglich unsere Bordkarten i-wann einscannen, nicht mal der Ausweis ist relevant, das Corona-Formular schon mal gleich gar nicht.
Corona spielt aktuell keine Rolle mehr, lediglich die Maskenpflicht auf dem Hinflug erinnert daran. Auf dem Rückflug fünf Tage später ist auch davon keine Rede mehr. So auch in Paris und es ist gut so, dementsprechend entspannt unterwegs sein zu können. Wieder unterwegs sein zu können. Reisen wieder unbeschwert genießen zu können.
Das Hotel ist in Romainville. Zählt das schon als Vorort, wenn noch recht locker mit der Metro erreichbar? I-wie nicht so richtig und wir sind von der Anbindung auch sehr angetan. Hatten uns das aber anders vorgestellt. Ursprünglich ein Hotel im Zentrum gebucht, das kam allerdings auf die Idee, uns 14 Tage vor Anreise die Zimmer zu stornieren. Die wir dann sofort wieder hätten buchen können – für den vierfachen Preis. Andere Hotels in ähnlichen unfassbaren Dimensionen. Wir hatten für das Himmelfahrts-WE gebucht schon klar, aber diese Preisexplosion? Weitere Ereignisse hatten wir nicht im Blick, weil sie auch nicht von Interesse waren. Und dann ist gerade an diesem Wochenende das CL-Finale. In – natürlich – Paris. Zwischen Liverpool und Real.
Naja, egal, wir haben unser Hotel gefunden, den ohnehin teuren Kurztrip hat es noch bissel teurer gemacht, aber es ging ja denn doch i-wie.
Nach Ankunft orientieren wir uns, die Metro lenkt da auch ein bissel unsere Idee, ziemlich direkt zur Île de la Cité und Notre-Dame. Hat ja den verheerenden Brand im April 2019 so gerade noch überstanden und ist seitdem im Wiederaufbau. Großräumig abgesperrt, aber so angelegt, dass ein Foto möglich ist. Die Touristenmassen hier geben uns einen Vorgeschmack auf die nächsten Tage. Wir trollen uns recht fix.
Weiter entlang der Seine und vor allem der Bouquinisten, die das Bild prägen. Runter bis zur Pont Neuf, wo wir nicht nur die Brücke ablichten, sondern auch die Touristen-Boote auf der Seine entlangschippern sehen. Im Minutentakt und eines voller als das andere. Auch das ein Vorgeschmack? Wahrscheinlich.
Über das Louvre (kein Besuch vorgesehen), dann noch was essen und ab in die Opéra Garnier, eines der zwei Opernhäuser von Paris. Abends ist Mats Ek. Gemischte Begeisterung in der Gruppe. Tanztheater ist in der Tat auch nicht meins, aber es war einen Versuch wert, der mit der Tanz-Adaption von Carmen ganz gut gelungen ist, beim List-Klavierkonzert i-wie nicht zu zünden vermag, aber dann einen grandiosen Höhepunkt mit dem Bolero hat. Geradezu hypnotisch spielt das Orchester, die Tanzchoreographie ist grandios passend, grandios getanzt.
Wie gesagt, ich bin nicht wirklich der Fan von Balett und/oder Tanztheater, aber heute gehe ich schwer angetan und begeistert mit Veronika aus dem Palais Garnier. Und ja, wir hätten diese Begeisterung gern mit SchAppi geteilt, vor allem auf den dann nach der Pause deutlich besseren Plätzen, die Plätze vor der Pause waren unter aller Würde, dass man das anbietet und verkauft ist eigentlich eine Frechheit, aber auch dafür gibt es ja einen Markt. Zu dem wir ja i-wie auch gehören.
1875 wird die neobarocke, üppig ausgestattete Oper eröffnet.
Tags drauf starten wir direkt gen Musée d’Orsay, voll haben wir es erwartet, aber so voll? Irre, was hier los ist. Nach kurzen Irritationen können wir unsere Paris-Card erfolgreich einsetzen und stehen zehn Minuten an. Irgendwie auch in der Hoffnung, dass sich der Besucherstrom drinnen etwas kanalisiert hat, was aber leider nicht der Fall ist. Nach wie vor mag ich das Museum sehr, mag auch die architektonische Lösung, wie das Museum in den ehemaligen Bahnhof Gare d’Orsay hereingebaut ist, aber heute nervt es eher. Keine Ruhe, alles voller Menschen, kein ruhiges Rankommen an die Bilder. Witzigerweise ist der Etretat-Monet recht frei, ist ja knapp einen Monat her, dass ich genau dort war.
Immerhin gelingen uns die Fotos an und mit den riesigen Uhren, ein Punkt, den wir beim Musée unbedingt erledigen wollten.
Der Gare d’Orsay. Anlässlich der Weltausstellung 1900 erbaut, ist er bis 1939 für den Fernverkehr in den Südwesten Frankreichs da. 1939 ist die Zeit der Fernzüge hier vorbei, das Hotel wird noch ein paar Jahre genutzt. Aber auch das ist bald vorbei und so steht sogar die Frage im Raum, ob der Bahnhof einem Hotelneubau weichen soll. 1977 die Entscheidung, den Bahnhof in ein Museum umzuwandeln, nicht zuletzt auf Initiative des französischen Präsidenten Valéry Giscard d‘Estaing. 1986 darf François Mitterrand den Umbau eröffnen.
Weiter gehts zur Ponte Alexandre III. Ein edles und sehr fotogenes Teil, das Zar Alexander III. gewidmet ist, 1897 – 1900 erbaut als Teil der Weltausstellung 1900 und einen Tag vor Beginn dann auch eröffnet. Alexander III. gilt als einer der Initiatoren der französisch-russischen Allianz, einem Defnsivbündnis zwischen Frankreich und Russland, 1894 begründet.
Sacré-Cœur scheint uns um die Ecke, also ist der höchste Hügel der Stadt mit der Kathedrale von 1914 das nächste Ziel. Ohne Zweifel, es ist schön hier, die Treppen, Sacré-Cœur selber, die Atmosphäre insgesamt. Aber – natürlich – auch hier viel zu viele Leute, so dass wir das hier oben auch ein wenig einkürzen und relativ schnell gen Lafayette aufbrechen. Will man ja denn doch mal gewesen sein. Insbesondere wenn die Aussicht auf der Dachterrasse zu locken vermag, die Opera Garnier vor der Nase, der Eiffelturm als Panorama.
„Zum einen macht die erhöhte Lage Sacré-Cœur zu einem Blickfang, zum anderen ist es die weiße Fassade, die noch jeden Betrachter faszinierte. Während andere Kirchengemäuer mit den Jahren immer mehr nachdunkeln, verliert die Kathedrale nichts von ihrer Strahlkraft. Das hat sie den Château-Landon-Steinen zu verdanken, aus denen sie gebaut wurde. Dieser frostresistente Kalkstein, Travertin genannt, stammt aus dem Departement Seine-et-Marne. Bedingt durch die Witterung gibt der Kalkstein Kalkspat ab, wodurch ein kreideartiges Weiß entsteht.“ Quelle
Das Abendessen beim Portugiesen in einer lauschigen Nebenstraße bleibt aus verschiedenen Gründen in Erinnerung, aus meiner Sicht in bester. Hatte sehr viel Spaß.
Das Programm ist für den ersten Tag knackig, vielleicht zu knackig von den Kilometern her, wir beschließen, in den nächsten Tagen ein wenig genauer hinzuschauen.
Tags drauf Start am Place de la Bastille, bequem mit der Metro zu erreichen. Die Opera Bastille und die Julisäule stehen hier, bis zur Revolution stand hier die Stadttorburg Bastille. Mehr als ein kurzes Foto gibt der Platz aber nicht her, wirkt seltsam steril.
Arc de Triomphe ist da schon ein anderes Kaliber, auch hier massig Leute, aber es geht dann doch recht schnell. Der Blick ist überragend. Die Achsen, die wie Strahlen zum Arc hinführen, sind nirgends klarer zu sehen, der Blick zur Grande Arche und zum Eiffelturm magisch. Mit der Metro fahren wir zum Banken- und Geschäftsviertel La Defense, dominiert von eben dieser Grande Arche in direkter Sichtachse zum Arc de Triomphe, der auch direkt reinpassen würde in dieses riesige Teil. Ästhetisch bin ich nicht restlos überzeugt, aber wir finden Zeit für einen Kaffee und SchAppi + Veronika Gelegenheit zum Shoppen.
Unsere Wege trennen sich für einen Moment, ich bin nochmal zum Place de la Concorde und zur Ponte Alexandre III., da waren wir zwar gestern schon, aber heut ist Sonnenschein, was die güldenen Elemente der Brücke noch besser zur Geltung kommen lässt. Weiter geht’s über Quartier Latin und über Palais du Luxembourg zum Pantheon, wo wir uns treffen.
Den nächsten Tag starten wir am Centre Pompidou und dem Strawinski-Brunnen. Ein Besuch des Centres ist nicht vorgesehen, der Brunnen ist eine mittlere Katastrophe. Erstens alles andere als schön, zweitens in Reparatur. Also weiter zum Canal Saint-Martin, recht lauschige Ecke. Hier trennen sich zunächst unsere Wege, ich hab die Villa Savoye auf dem Plan, den setze ich um, SchAppi und Veronika besuchen derweil Hôtel des Invalides und den Rodingarten, hatte ich so rein grundsätzlich auch noch auf dem Plan, aber alles geht halt nicht und schon gar nicht gleichzeitig.
Die Villa Savoye ist im kleinen Vorort Poissy. Auftraggeber sind Pierre und Eugénie Savoye. 1907 gründet Pierre Savoye zusammen mit Gustave Gras die Versicherungsgesellschaft Gras Savoye. Es sei wohl nach wie vor eines der größten Versicherungshäuser in Frankreich.
Le Corbusier führt den Bau 1928 – 1931 aus. Zu der Zeit hat er sich bereits einen Namen gemacht als Vertreter eines avantgardistischen Architekturstils, der funktional, puristisch und kubistisch sein sollte und nicht zuletzt den Art déco hinter sich lassen wollte.
Die Villa gilt als konsequenteste Umsetzung von Le Corbusiers Architekturmanifest „Fünf Punkte zu einer neuen Architektur“ (1923).
- Verwendung von Pfosten (Pilotis): Betonstützen ersetzen die tragenden Mauern als Grundlage einer neuen Ästhetik.
- Flachdächer: nutzbar für Dachgärten oder Terrassen und gleichzeitig ein gewisser Schutz für das Betondach.
- Freie Grundrissgestaltung: Wegfall von tragenden Mauern und damit flexible Nutzung des Wohnraums.
- Langfenster oder lange Fensterfronten entlang der Fassade für Licht und Luft, zudem werden so die nichttragenden Wände ästhetisch durchbrochen.
- Freie Fassadengestaltung durch Vorhangfassade, Baustruktur mit Tragwerk etc. wird getrennt von der nun frei möglichen äußeren Gestaltung.
Le Corbusier und/oder Bauhaus, die Bezüge sind da und sie sind klar und münden in diesen funktional-ästhetischen Architekturstil. Ein unfassbarer Einfluss auf die internationale Moderne.
Villa Savoye (Le Corbusier, 1931), Villa Tugendhat (Ludwig Mies van der Rohe, 1930), Haus Schminke (Hans Scharoun, 1933) oder Fallingwater (Frank Lloyd Wright, 1937) gelten als die Ikonen, die Leuchttürme.
Wegen des II. WK Flucht der Familie Savoye, 1958 steht die Villa vor dem Abriss, Proteste, 1965 wird die Villa offizielle denkmalgeschützt, die eigentliche Renovierung dauert dann aber doch von 1985 bis 1997.
Die Rückfahrt lege ich so, dass ich dass ich schon mal bissel Tuchfühlung zum Eiffelturm aufnehme, aber dann geht es fix zum Quartier Latin, wo wir uns verabredet haben. Zum Essen fällt die Wahl auf Les Éditeurs, ein Restaurant mit Charme und hervorragendem Wein und hervorragendem Essen, ein Genuss.
Fehlt noch der Eiffelturm. Lange haben wir uns Zeit gelassen mit der richtigen Wahl, um dann genau die richtige Entscheidung zu treffen. Montag Abend, das Wochenende ist vorbei, die meisten Touristen weg, die Fußballtouristen ebenfalls. Der Touristenstrom am Trocadero hat ebenfalls nachgelassen. Und es ist dunkel, die entsprechende Faszination nachts illuminierter Metropolen haben wir inklusive.
330 Meter ist er hoch, errichtet von 1887 bis 1889 von Gustave Eiffel. Eine würdige Erinnerung an die Französische Revolution 1789 sollte er sein und gleichzeitig monumentaler Eingangs- und Aussichtsturm für die Weltausstellung 1889. Bis 1930 das höchste Bauwerk der Welt und bis heute die wichtigste Sendeanlage des Großraums Paris. In Spitzenzeiten waren es 7.000.000 Besucher, weltweiter Spitzenwert. Eine Ikone, es gäbe unfassbar viel zu erzählen, hier ist einiges zusammengetragen zu Architektur, Entstehungsgeschichte, Rezeption usw. Ultraspannend.
Letztlich wird für den Bau der flexibelste und zu der Zeit modischste Werkstoff verwendet. Stahl. Kohle und Stahl haben ihre Symbiose gefunden Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts. Spätestens mit der veredelten Kohle – dem Koks – und immer leistungsfähigeren Hochöfen kann Stahl in einer Qualität hergestellt werden, die die benötigte Stabilität garantiert. Bei gleichzeitiger Flexibilität, ja nicht ganz unwichtig bei den anstehenden Belastungen.
Die Stahlskelettbauweise ist schon zuvor bei anderen Sachen zum Einsatz gekommen, vielleicht kann man es als eine Art Zeitgeist beschreiben, ein Zeitgeist, den Eiffel mit seiner Funktionalismus-Ikone nochmal zusätzlich befeuert. Zahlreiche Bauten folgen, insbesondere aber löst der Eiffelturm eine wahre Turmbauwelle aus.
Bevor Abends der Flug zurück geht, bringt uns die Metro noch einmal in die Stadt. Mit dem Bus entlang der Seine, das ergibt nochmal andere Perspektiven. Spannende Skulpturen am Palais de Tokyo, später nochmal der Eiffelturm. Zum Abschluss noch ein paar Kilometer laufen bevor wir im Flieger wieder länger rumsitzen und so gut wie nix tun. Vom Hotel de Ville laufen wir durch das jüdische Viertel vorbei am Korcarz, dem leckeren Bäcker, zum Place des Vosges. Und dann geht ein spannender und sehr cooler Kurztrip zu Ende. Sehr viel Spaß hat es gemacht.