Mit etwas gemischten Gefühlen geht es mit Armin in den Iran. Nicht wegen sicherheitspolitischer Bedenken, nein, Iran zählt zu den sicheren Reiseländern. Problem ist, dass Iran von ausufernden Regenfällen heimgesucht worden ist im März, von Regenfällen, die in dieser Form hier jahrelang nicht gesehen worden sind. Überschwemmungen und Tote gab es.
Kurze Stornoüberlegungen setzen wir zum Glück nicht um. Das Visum bereitet uns zunächst die größte Sorge – von einem Interview im Generalkonsulat vom Iran in Hamburg ist zu lesen. Dann entdecken wir aber zum Glück einen Passus mit „autorisierten Reisebüros“. Und zack – geht alles ganz schnell mit Hilfe des Studentenreisebüros an der Mühlenpfordtstr. 18. Der Tour steht nichts mehr im Wege, einschlägige Literatur wird konsultiert und die eine oder andere Reportage studiert.
Und dann geht’s los am 14.04.
Ein Nachtflug hat den unschätzbaren Vorteil, dass einem kaum Zeit geklaut wird von den Urlaubstagen. Und dass ein wenig Schlaf reinkommt – wenn man denn schlafen kann. Am Ende sind wir dann aber doch ziemlich genau 24 h unterwegs, der Flug dauert schon seine Zeit und nach Berlin müssen wir ja auch erst mal kommen. Es gibt z.Zt. keine Direktflüge und der Umstieg in Doha raubt halt Zeit. Und dann ist da auch noch die 12-Millionen-Metropole Teheran, die wir quasi 1 x durchqueren auf unserem Weg zum Hotel, was halt dauert.
Zum Glück ist das Metronetz hervorragend ausgebaut. 1999 mit dem Bau begonnen, gibt es mittlerweile 5 Linien, zwei weitere sind im Bau. Das vorerst letzte Teilstück vom relativ neuen Khomeini Airport in die Stadt ist vor gerade mal zwei Jahren eröffnet worden. Gut zwei Stunden fahren wir durch die Stadt, eigentlich ja nur im Untergrund, von Teheran selber haben wir noch nix gesehen. Dafür aber schon einen nicht ganz unwesentlichen Punkt vom Land. Zielsicher steigen wir am Flughafen in das Frauenabteil ein, wir wollten halt nur schnell befördert werden und haben nicht so genau hingeschaut. Es gibt in der Tat eigens abgeteilte Frauenabteile, der voreheliche Kontakt von Frauen und Männern in der Öffentlichkeit soll beschränkt werden. Umgekehrt dürfen Frauen auch die Männerabteile betreten. Im Bus gilt: vorne Männer, hinten Frauen. Nicht aber in dem Überlandbus, den wir von Teheran nach Kashan genommen haben. Manche Ambivalenzen haben wir nicht aufgelöst bekommen.
Wir machen erste Bekanntschaft mit den extrem hilfsbereiten Iranern. Manche beäugen uns nur neugierig. Andere fragen nach dem woher und wohin, und wieder andere überschlagen sich geradezu in dem Wunsch, uns die richtige Metrostation zeigen zu wollen.
Während Armin erst einmal ein bissel vom im Flieger verlorenen Schlaf nachholt, versuche ich, mir einen ersten Überblick zu verschaffen über die Ecke, in der wir hier sind. Gelingt nicht ganz, zu viel Verkehr, zu viel Chaos, zu wenig sichtbare Struktur. Hab ich etwas anderes erwartet? Nicht wirklich.
Am ersten richtigen Tag geht es zum Tochal, dem Hausberg der Teheraner. Uns führt der Weg zunächst zur letzten Metrostation Tajrish, dann halbherzige Verhandlung mit dem Taxifahrer über den Preis – die Währung ist uns noch nicht wirklich vertraut – und auf geht’s durch die vollgestopften Straßen zur Talstation des Tochal.
Noch deutlicher als gestern Abend zeigt sich: Teheran ist vor allem eines – Verkehr. Verkehr am Rande des Kollapses. Also so lang wie möglich die Metro nutzen. Die bietet dann auch gleich noch Abwechslung mit Händlern, die immer irgendwas loswerden wollen. Oder Musikern, die bissel was zum Besten geben. Viel verdienen nach unserem Ermessen beide nicht, aber sicher muss man bei der Bewertung andere Maßstäbe ansetzen. Nur welche?
Die Hauptstadt wächst in die Ausläufer des Elburz hinein, es ist also keine Frage, dass wir in das Gebirge fahren, eine äußerst beliebte Freizeitbeschäftigung der Teheraner. Die Seilbahn bringt uns fix auf 3.000 Meter, wo uns Teheran zu Füßen liegt. Viele fahren gleich weiter in die Skigebiete auf 3.800 Metern.
Die Panoramasicht ist aufgrund des diesigen Himmels nicht die allerbeste, zum Laufen eignet sich das Wetter hingegen prächtig. Und so kommen in den Bergen einige Kilometer auf die Uhr. Die enorme Teheran-Ausdehnung lässt sich nicht so richtig sehen auf den Smog-Bildern, eher erfühlen.
Geologisch ist der Iran total spannend. Abwechslungsreich sowieso mit dem Kaspischen Meer im Norden und dem Persischen Golf im Süden, mit weit ausgedehnten Wüsten und einem fruchtbaren Hochland, wo die meisten Städte zu finden sind und so auch die Städte unserer Tour. Tehran: 1.000 Meter im Süden, im Zentrum 1.100 – 1.200 Meter, im Norden in die Berge hinein bis 1.700 Meter, der Tochal ist bei 3.964 Metern, der Damavand im Elburz-Gebirge: 5.610 Meter, Abyaneh 2.225 Meter, Isfahan: 1.574 Meter, Yazd: 1.216 Mete, Shiraz: 1.585 Meter. Zudem treffen im Norden die Eurasische Platte und die Iranische Platte aufeinander und von rechts schieben die Afrikanische und Arabische Platte. Im Norden faltet das das Elburz-Gebirge auf, im Osten und Süden das Zagros-Gebirge mit umfassenden Ausläufern.
Nebenwirkungen dieser geologischen Aktivitäten sind natürlich Erdbeben, die letzten waren im Westen jeweils im November 2017 und 2018. Verheerend war das von 2003 mit über 26.000 Toten. Daraufhin 2004 das Benefiz-Länderspiel des DFB vor 110.000 Zuschauern im Azadi, u.a. mit dem Bochumer Mehdi Mahdavikia. Hier die Eindrücke von Rocky, Basti und Henning seinerzeit.
Abgerundet wird der Tag in den Bergen mit der doppelstöckige Fußgängerbrücke Pol-e Tabiat. Sie überspannt seit 2014 eine der vielbefahrenen Stadtautobahnen mit einer ansehnlichen, abends illuminierten Eisenkonstruktion. Catering gibt’s hier auch. Hohe, sehr angenehme Verweildauer, der jungen Architektin Leila Araghian ist ein Ort der Begegnung gelungen.
Panzdah Khordad ist die U-Bahn-Station um die Ecke vom Basar, der ein Muss ist in Teheran. Kaum aus der Station raus steht man quasi schon mittendrin. Auf der Straße absolutes Chaos. Alle mit allem gleichzeitig – ich liebe es. Unzählige Taxis, unzählige Mopeds, unzählige Menschen, unzählige Autos, Busse, Kleintransporter. Der Basar muss beliefert werden, die Leute wollen hin und wieder weg – und irgendwie findet alles gleichzeitig statt. Nichts für schwache Nerven, aber absolut faszinierend. Ich genieße es und werde zum Schluss sogar noch mit einem schicken Ausblick auf Teheran, den Verkehr und die Berge belohnt.
Nun ist endgültig die Zeit gekommen für den Basar, also für den richtigen, das bisher war ja nur Vorgeplänkel. Ich lasse mich treiben, versuche gar nicht erst einen Überblick zu bekommen, denn dazu ist er zu groß. Eine Stadt in der Stadt. Hier gibt es alles: Gewürze, Kleidung, Schuhe, Stoffe, Gold- und Schmiedekunst, sogar Armaturen. Kenner sagen, dass man gute zwei Tage für den Markt einplanen kann, aber die Zeit habe ich nicht. Also bissel schauen und nicht die grobe Orientierung verlieren, schließlich bin ich noch mit Armin verabredet.
Am Golestan-Palast treffen wir uns, bissel versteckt liegt der. Eine Oase der Ruhe, gerade im Vergleich mit dem hektischen Basar eben. Sehr nett anzusehen, der Hauptpalast weiß vor allem mit seinen Spiegelsälen zu beeindrucken. Ganz abgefahrene Lichtspielchen. Und vor allem auf dem Außengelände die schon von Usbekistan bekannten Fliesen, eine Zierde der islamischen Kunst. Hier noch farbiger, noch abgefahrener. Gepflegte Grünanlagen runden die prächtige Wohlfühloase ab.
Im 17. Jahrhundert vom Safawiden Abbas I. angelegt, später Regierungspalast der Qajaren (Kadscharen), die wieder sind Vorgänger der Pahlavi-Dynastie, welche wiederum die letzte Shah-Dynastie im Iran ist. Der Golestan ist also lange Zeit offizieller Sitz der persischen Monarchen.
Damit auch erstmal genug von den Herrschergeschlechtern, sie werden uns noch an anderen Stellen begegnen. Aber es ist unmöglich, sie angemessen darzustellen und zu würdigen, tausende Jahre persischer Geschichte sind so dermaßen reich an Kultur und Historie. Hier ist ganz gut was zur Geschichte Persiens zu lesen.
Vielleicht an dieser Stelle ein Wort zu den Schreibweisen: Teheran oder Tehran, Isfahan oder Esfahan, Qajaren oder Kadscharen usw. – es gibt immer verschiedene Schreibweisen der Eigennamen, selbst unsere Reiseführer haben sich teilweise widersprochen. Ich beanspruche nicht, die jeweils richtige getroffen zu haben:-).
Vom Golestan zum Meydan-e Azadi mit dem Azadi-Tower. Er darf ja schon als ein Wahrzeichen Teherans gelten, wenngleich ich den ästhetischen Wert schon für etwas überschaubar halte. 1971 ist er noch Monument für die 2500-Jahrfeier des persischen Kaiserreiches, 1978 demonstrieren hier über eine Million Menschen gegen den Shah und ab 1979, nach der iranischen Revolution, heißt er Azadi-Tower (Freiheitsturm).
Er bietet noch einmal einen feinen Blick über die Dächer von Teheran. Und zeigt noch einmal eindrucksvoll, dass der Verkehr definitiv eines der größten Themen der Hauptstadt ist.
Durch diesen Verkehr hindurch gilt es, einen Weg zur U-Bahn zu finden. Am Ende fragen wir uns schon ein bisschen, wie wir die zwei fünfspurigen Bahnen ohne Blessuren geschafft haben, aber es geht. Wir müssen zur Metrostation, denn es soll noch weitergehen. Ins Azadi Stadium. Drei Stationen mit der Metro, umsteigen, dann noch eine Station. So der Metroplan. Funktioniert auch prächtig – bis zur Station Varzeshgah-e Azadi, wo die Metro, mittlerweile ein Vorortzug, eben nicht hält. Und an den folgenden sechs Stationen auch nicht, die Zeit bis zum Anstoß beginnt knapper zu werden, die Laune sinkt.
Was wir nicht sehen konnten ist, dass es von diesem Zug auch eine Schnellzugvariante gibt, die eben nicht überall hält. Und die haben wir erwischt. Stand sicher auch irgendwo dran, aber wir können halt kein Persisch. Dumm gelaufen, aber noch nicht zu spät. Für ein Taxi. Der Fahrer gibt alles und setzt mich nach einer halben Stunde am Azadi ab und so schaffe ich es noch rechtzeitig zu Esteghlal, mit Winnie Schäfer an der Linie, vs. Machine Sazi. 1:0 heißt es am Ende. Inzwischen ist bei Esteghlal klar: kein Meister = kein Winnie.
Nun machen auch meine am Basar gekauften Pistazien Sinn, unter besagten Umständen ist die Nahrungsaufnahme etwas zu kurz gekommen, deutlich zu kurz eigentlich, aber meine Prio ist klar das Stadion. Armin setzt die Prio auf Vernunft und Nahrungsaufnahme und so trennen sich kurzzeitig unsere Wege – alles kann, nichts muss.
In meinen Augen ist das Azadi natürlich ein Muss, es besticht durch pure Größe. 100.000 Zuschauern bot es Platz, mittlerweile leider ein All-Seater für 78.000 Zuschauer, was immer noch beeindruckend ist und ich habe keine Probleme, mir vorzustellen, was hier beim Derby zwischen Esteghlal und Persepolis abgeht. Diese Spiele sind selbstverständlich ausverkauft, was heute nicht der Fall ist, trotzdem ist der Support dauerhaft und intensiv.
Vom Busterminal Süd startet am 18. der Bus nach Kashan. Das Taxi bringt uns zügig vom Hotel zum Terminal. Die Bustour startet sogar deutlich vor unserer angestrebten Zeit und so sind wir schon gegen Mittag in unserem einzigartigen Negin Guesthouse. Der Hotelkomplex besteht aus restaurierten und rekonstruierten Häusern der Qajaren-Dynastie, da haben wir sie wieder. Traditionelle persische Architektur trifft feine Dekoration. Sehr verwinkelt, wunderschön. Allein das Restaurant ein Blickfang. Dass ein Teil der Einnahmen an Waisenkinder gespendet wird kommt on top. Also nicht das klassische Hotel. Beste Location der Tour – bleibende Erinnerung.
Zum frühen Nachmittag ein Gang durch die Stadt, die eher ausgestorben wirkt, das Leben geht erst um fünf wieder so richtig los. In aller Ruhe schauen wir uns so das Gebäudeensemble um Aqabozorg School & Moschee und Boroujerdi Historical House an. Gerade Boroujerdi mit dem Windturm hat es uns angetan. Abgefahrene Konstruktion, die eine gute und vor allem kühle Belüftung gerade in der Sommerhitze ermöglicht.
Absolut cool ist auch das Sultan Amir Ahmad Historical Bath mit den Oberlichtern und vor allem einem perfekten Blick auf den Windturm des Boroujerdi. Der hat wie alle Windtürme Öffnungen in alle Himmelsrichtungen, um wirklich jeden klitzekleinen Windzug einzufangen, der Wind wird dann nach unten in die Häuser geleitet. Eine perfekt funktionierende Klimaanlage, nur gänzlich ohne Strom. In Yazd ist das nochmal Thema.
Abends Essen mit Safrantee im Negin – traumhaft. Das Ambiente ist einzigartig, das Personal hat Spaß daran, uns einen nachhaltigen Abend zu bereiten, der Tee lecker, die persische Küche überzeugt, umständehalber waren die ersten Versuche in Teheran eher vom Pragmatismus geprägt und weniger von kulinarischen Herzenswünschen geleitet.
Nächster Tag ist Transfer von Kashan nach Isfahan. Für den ersten Transfer war der Bus okay, aber recht schnell stellen wir fest, dass wir Bus und Bahn zur Fortbewegung im Lande eigentlich gar nicht benötigen, es gibt genügend Alternativangebote. So z.B. Jamal. Er gibt den Taxifahrer und ab geht’s über Fin Garden, Abyaneh und Natanz nach Isfahan. Leider ist sein Englisch nicht so gut, unser Persisch beschränkt sich auf das herzenöffnende Merßi. Immerhin. Dennoch – irgendwie gelingt die Kommunikation. Voller Stolz zeigt er uns sein privates Gästebüchlein, ein etwas dickeres Oktavheft. Seine Gäste sind jeweils voller Lob und wir werden es am Ende auch sein, soviel sei schon mal vorweggenommen.
Fin Garden in Kashan ist verzichtbar. Das kleine Gebirgsdörfchen Abyaneh hingegen stellt sich als die Perle heraus, die wir uns erhofft haben. Eigentlich war ja sogar eine Übernachtung geplant hier oben, aber das hat nicht funktioniert. Übernachtet auf 2.225 Metern Höhe – hätten wir schon gern in unsere Reiseberichte geschrieben. Am Ende gut, wie‘s gekommen ist, sonst hätten wir kaum das Negin in Kashan kennengelernt.
Und nun dürfen wir uns an Abyaneh erfreuen. An der eigenwilligen Architektur, an der grandiosen Lage, an den warmen Farben der Häuser, an den eigenwilligen Balkons, an den verwinkelten Gassen. „The red museum of Iran“ schreibt ein Prospekt. Jamal hat einen Plan und führt uns an die richtigen Stellen, die meist auch ganz gut ablegen von den Touristen sind, die das Dorf natürlich auch belagern. Zusammen mit den letzten 100 Einwohnern ist hier ganz schön Betrieb. Die jungen Leute sind längst weggezogen, übrig sind die Älteren, die versuchen, ein paar Sachen zu verkaufen. Ob das nachhaltig ist? Ein Abstecher nach Abyaneh ist ein Muss.
Bis zum 16. Jhdt. sind die Einwohner mehrheitlich Anhänger des zoroastrischen Glaubens, mit dem beginnenden Safawidenreich wird das weniger bzw. viele abyanehische Zoroastrier oder auch Zarathustrier wandern in die Region Yazd aus. Da kommen wir aber erst noch hin. Einer der bedeutendsten Safawiden wiederum wird uns noch heute Abend erneut über den Weg laufen.
Die Straße nach Abyaneh ist dann so etwas wie die Allee der Märtyrer. An beiden Seiten der Straße Bilder von Toten aus dem Iran-Irak-Krieg, ein Kampfflugzeug als Denkmal. Von 1980-1988 tobte dieser sogenannte Erste Golfkrieg, 500.000-1.000.000 Tote auf beiden Seiten, je nach Quelle. Ein überflüssiger, ein sinnfreier Krieg mit umfassender internationaler Einflussnahme. Es ging auch um Einfluss in der Region.
Die ehemalige Moschee in Natanz ist dann eine erste vorsichtige Einstimmung auf Isfahan, denn hier haben wir dezent die hübschen blau-türkisen Kacheln. An Abyaneh reicht Natanz allerdings nicht heran. Aber auch hier weiß das Essen zu überzeugen: Khoresht-e – ghormeh sabzi, einen leckeren Lammeintopf gibt es.
90 Kilometer später setzt uns Jamal am Sean Guesthouse in Isfahan ab, wo wir zwar nur zwei Zimmer gebucht haben, aber unversehens eine Wohnung für uns haben. Fein. Auch diese Wahl ein Volltreffer.
Einen Tee zum Empfang. Mich jedoch zieht es recht schnell zum Naqsch-e Dschahan oder Imam-Platz, ich bin sichtbar hibbelig. Er ist nun mal das Ziel eines jeden Isfahan-Aufenthaltes.
Der Platz in seiner heutigen Form geht auf den Safawiden Abbas, die Konsolidierung und der Aufschwung von Isfahan zur zwischenzeitlichen Hauptstadt im 16. und 17. Jhdt. insgesamt auf die Safawiden zurück.
Der Platz ist schlicht überwältigend. Die pure Größe, die Lebendigkeit, die Anlage, die Architektur. Einer der größten, einer der beeindruckendsten, einer der schönsten Plätze die ich bisher gesehen habe.
Vielleicht ist der Tian’anmen-Platz größer, aber der reicht nie an die Aura des Imam-Platzes heran. Ein Vergleich – meinetwegen mit dem Roten Platz oder mit dem Registan – fällt schwer und macht eigentlich auch keinen Sinn. Also lassen wir das.
Später mit Armin noch eine zweite Runde mit Dämmerung und dann heraufziehender Nacht, die kommt ja ziemlich schnell hier. Auch bei Nacht ein wahnsinnig faszinierender Platz. Dann noch ein Safraneis. Eigentlich ein unscheinbarer Laden, wären schon fast vorbeigegangen. Und dann, siehe da – leckeres Safransofteis. Safraneis ist definitiv eine der Entdeckungen der Iran-Tour.
Die perfekte Abrundung für diesen Platz sozusagen. Edles Safraneis für einen edlen Platz. Schon die Ausmaße beeindrucken: 524 Meter x 160 Meter. Erst recht aber die Gestaltung: an der Ostseite die Lotfollah-Moschee, an der Südseite die Masdjed-e Imam oder Imam-Moschee, an der Westseite der Ali Qapu Palast, an der Nordseite schließt sich der Basar an. Dazu die harmonische Gestaltung mit den ebenmäßigen doppelstöckigen Arkaden. Die Mitte ziert ein Springbrunnen, drumherum Grünanlagen für Picknick, Fuß- oder Volleyball oder einfach nur zum Treffen und Verweilen. Zauberhaft lebendige und entspannte Atmosphäre. Wir werden nicht das letzte Mal hier sein.
Mit dem Traum, den Platz vielleicht aus der Vogelperspektive sehen zu können, gehe ich ins Bett.
Tag 2 in Isfahan wird der Tag der Brücken. Zunächst vom Guesthouse zur ehemaligen Moschee Chahar Bagh. Eigentlich ganz vielversprechend, leider für Besucher geschlossen. Aber das Abbasi-Hotel nicht. Im ausladenden Innenhof sind Gäste herzlich willkommen. Früher war es eine Karawanserei. Das Abbasi-Hotel an der Abbasi-Straße zählt sicher zu den exklusivsten Hotels im Iran, obwohl wir auch Zimmer für 50 € entdeckt haben.
Wenig entfernt ist die Si-o-se Pol, die zweistöckige Steinbrücke mit den 33-Bögen. Von 1602 ist sie, 360 m lang und 14 m breit. Ein harmonisches Ensemble. Die Pol-e Chobi-Brücke schließt sich an, sie ist von 1665 und im Vergleich mit der links bzw. rechts liegenden Brücke von eher schlichterer Schönheit. Der Weg entlang des Flusses führt uns also weiter zur Pol-e Chādschu, der schönsten und lebendigsten Brücke. Die Statistik berichtet von 1650, 132 Metern Länge, 26 Metern Breite und 23 Bögen. Bei den Brückennamen gibt es auch wieder die unterschiedlichsten Schreibweisen…
Unten sitzen die Iranerinnen und Iraner auf den Stufen am Wasser – oder gern auch unter den Bögen. Zum Schauen, zum Genießen, zum Picknick. Und gerade die jüngeren Iranerinnen sind teils hemmungslos am Flirten, das Kopftuch, wie auch schon an vielen anderen Orten gesehen, dient eher dazu, den eigenen Charme zu betonen denn zu verhüllen und ohnehin sind iranische Frauen in der Regel auffallend, aber nie aufdringlich geschminkt. Oben sind die Touristen und schießen ihre Selfies.
Es gibt eine Menge Bilder, auf denen das Flussbett des Zayandeh Rud nahezu oder ganz trocken ist und die Leute nicht über die Brücken, sondern durchs Flussbett laufen. Davon ist heute nix zu sehen, die Strömung ist deutlich zu sehen und spüren. Eine Folge der Regenfälle der letzten Wochen. Auch wenn wir hier bei den Brücken vor allem schöne Bilder mitnehmen können, die Auswirkungen der Regenfälle waren dramatisch.
Der Regen trifft das Land doppelt und dreifach hart. Jahrelang ausbleibender Regen trocknet die Böden so extrem aus, dass sie das viele Wasser gar nicht richtig aufnehmen können. Zumal es teils langanhaltende sintflutartige Regenfälle sind, eine zusätzliche Herausforderung. Und dann – die Betroffenen sparen nicht mit Kritik – wurde jahrelang nicht oder nur ungenügend in die Infrastruktur investiert. Begradigung der Flüsse, fehlende Kanäle, Häuser, die in einem Kanal gebaut wurden. Das Wasser hat gar keine Chance, halbwegs geregelt abzufließen. So sucht es sich seinen Weg und reißt mit, was im Wege ist – Autos, Mauern, Menschen. Eine Katastrophe.
Ein paar Kilometer später sind wir am Tschehel Sotun, dem 40-Säulen-Palast. Ich lass die Einzelheiten jetzt mal weg, der Palast ist schön usw., aber die 20 Säulen spiegeln sich heute nicht kongenial im Teich und sowieso waren die Brücken viel cooler. Unerwartet wird’s dennoch.
Deutschland finden Iraner ja mehrheitlich cool. Mercedes, BMW, Volkswagen ziehen und erstaunlich viele waren in Deutschland zum Studium o.ä., wollen nach Deutschland oder haben Freunde, die aktuell in Deutschland sind. Die Krönung zwei Jungs am Teich von eben jenem Säulenpalast. Zuerst die oft gehörte Frage, wie es uns im Iran gefällt. Ein Gespräch entwickelt sich. Der Name Dortmund, Armins Heimatstadt, fällt bei der Frage nach dem Woher und unversehens drücken die Jungs uns ein Smartphone in die Hand mit einem Instagram-Call mit ihrem Kumpel in Dortmund. Weil wir gerad in Isfahan drüber sprechen. Und er gerade in Dortmund ist. Smalltalk über das Dortmunder U von Isfahan nach Dortmund. Verrückte Welt.
Zum Abschluss eines 20-km-Rundganges durch Isfahan zieht es uns natürlich noch einmal auf den Imam-Platz. Morgens, mittags, nachmittags, abends – der Platz ist an 365 Tagen im Jahr zu jeder Stunde einfach wunderschön und lenkt unsere Füße automatisch jeden Tag hier her. Mit dem allerersten Schritt auf den Platz gestern Nachmittag war das klar.
Dass dann tatsächlich mein Traum mit der Vogelperspektive wahr wird, ist natürlich exzellent. Nur an der Imam-Moschee gibt es die realistische Möglichkeit, von einem der Minarette den Platz in seiner ganzen Pracht von oben zu sehen. Offiziell vorgesehen ist sowas natürlich nicht, nicht im Rahmen eines regulären Besuches der Moschee. Ich muss halt ein bissel hartnäckiger fragen und irgendwann entscheiden wir: Armin trinkt einen Tee, ich wende mich der Moschee zu. Kleinigkeit zahlen muss ich irgendwann auch, natürlich gern. Denjenigen bezahlen, der mir die ganzen Türen aufschließt auf dem Weg nach oben und anschließend mich den Weg wieder mit zurücknimmt.
Is schon ganz gut verschachtelt und vor allem nach ganz oben auch extrem eng. Ganz enge unbeleuchtete Wendeltreppe mit beachtlicher ungenormter Stufenhöhe. Grandios.
Ich muss bissel hetzen hier oben mein konspirativer Guide will nicht so lang hier oben bleiben ich glaub er will nicht entdeckt werden ich versuche zu genießen und will auch noch Fotos mitnehmen irgendwie obwohl sie schon lange nicht mehr wichtig sind und irgendwie gelingt beides wobei die Fotos fast egal sind denn allein der Weg hierauf ist geil genug dass ich eigentlich keine Bilder bräuchte.
Aber ich will sie ja denn doch haben, klar. Und hier ist ein Pano vom Imam-Platz und ganz ehrlich, ich kann mich an diesem Foto nicht sattsehen. Eigentlich steckt da der ganze Urlaub drin. Dieses unfassbar schöne Land, das Gemeinsame der Tour, die Rücksicht aufeinander, das Abenteuer, die Überraschungen auch im Kleinen und vor allem die Freude an den vielen kleinen Geschichten, die zu einer großen schönen werden.
Paar Meter vom Imam-Platz ist das Namakdan auf einem netten kleinen Hinterhöfchen – für uns mit Ash, dem leckeren persischen Nudeleintopf, der uns gerade hier überzeugt. Dazu der beste Tee der Tour, eine Komposition aus Safran, Kardamom, Ingwer, Zitrone und noch paar leckeren Dingen.
Abends sitzen wir noch mit Sean und Mehrdad vom Guesthouse zusammen und haben Spaß. Mit dabei auch Pierre aus Frankreich, zwei Tage später wird er kurzentschlossen unsere Tour nach Yazd gemeinsam mit uns bestreiten. Auch das ist Reisen, Menschen begegnen und ein Stück des Weges mit Ihnen teilen.
Kaum zu glauben, dass schon der letzte Tag in Isfahan ansteht. Natürlich gehen wir auch heute wieder zum Imam-Platz. Zunächst zum Ali Qapu Palast. Zu genießen ist vor allem der prächtige Blick auf den Platz. Den Palast selbst können Armin und ich nur schwer ertragen, zu viele Touristen drücken sich durch zu kleine Räume. Als sich dann in das Musikzimmer, das mit zehn Menschen schon voll wäre, ca. 20 Leute drücken, reichts mir. Lieber auf den Platz raus und frische Luft atmen.
Oder zur Freitagsmoschee. Nicht allerdings, ohne eine fruchtige Erfrischung mitzunehmen, frisch pürierte Mango in Teheran, frisch pürierte Galiamelone in Isfahan. Oder Orange. Oder Kiwi. Oder Granatapfel. Die Vielfalt kennt keine Grenzen, umwerfend frisch ist alles.
Ziemlich mächtig ist die Freitagsmoschee mit ihrer langen Baugeschichte, beeindruckend vor allem aufgrund der unterschiedlichen Kuppelgestaltungen und der auch hier geradezu überreichen Ornamentik.
Zurück zum Imam-Platz. Die Lotfollah-Moschee fehlt uns noch. Auch hier ist Abbas I. entscheidend, von 1602-1619 ist die Moschee errichtet. Vielleicht ist der Begriff des Gesamtkunstwerkes hier angebrachter denn je. Die sandfarben unterlegte Kuppel mit Blumenmustern und Ranken, abends gülden strahlend, der Eingangsbereich unfassbar reich gestaltet mit Ornamenten, Schriftenbändern und Verzierungen. Und dann der Gebetsraum – die Harmonie auf Erden. Blau – Ocker – Türkis, das sind die Farbtöne, die Muster sind überreich und die Oberfenster bringen neben Licht auch noch Anmut und Leichtigkeit in den Raum. Vollendete Symmetrie des Raumes, viereckig ist er, achteckig wirkt er.
Abends lassen wir es etwas ruhiger angehen, immerhin startet unsere Tour morgen früh um 7.30 Uhr.
Nächstes Ziel ist die Wüstenstadt Yazd. Das Angebot von Sean ist unschlagbar. Für gut 30 € über Quortan – Varzaneh-Desert – Naein – Meybod – Chak Chak – Kharanaq bis vor die Tür des Silk Road Hostels in Yazd. Natürlich greifen wir zu. Mehrdad vom Guesthouse ist Fahrer und Guide.
- Quortan-Castle: Viel steht nicht mehr vom Castle, es sollen noch ca. 100 Leute hier wohnen, die sich natürlich nicht um den Erhalt der Gesamtanlage kümmern können. Und so verfällt sie. Früher war es wohl ein zentraler Punkt im Iran mit strategischer Bedeutung.
- Varzaneh-Desert: Nächste Station: Sandwüste mit Sanddünen und kein Vergleich zur Steppenwüste seinerzeit auf dem Weg von Chiwa nach Moynak. Mit wenig Vorstellungsvermögen können wir uns die Kamele und Karawanen vorstellen obwohl wir nur am Rande der Wüste sind und die protzenden Offroader uns eher auf den Sack gehen.
- Naein: Naein weiß mit einer Moschee aus dem 10. Jhdt. zu überzeugen. Die schlichte Gestaltung ist ein klarer Kontrast zu den so farbigen Moscheen in Isfahan.
- Meybod: Heimlicher Star dieser Tagestour ist allerdings Meybod mit Eisturm, Karawanserei, lecker Kebab und der Festung Qaleh Narin . Ein intensiver Sandsturm beginnt, uns ab Meybod zu begleiten – im Auto egal, bei der Festung jetzt nicht so. Sieht ein bissel aus wie Nebel, is halt nur gelblich und mit Sandkörnern und stürmischen Böen. Also mit feinen Sandkörnern zwischen den Zähnen, mit feinen Sandkörnern in den Haaren, mit feinen Sandkörnern in den Ohren, in der Nase, in den Augen – also überall.
- Chak Chak: Inmitten bizarrer Felslandschaft ist die nächste Station, der Zoroastrische Tempel Chak Chak in 1.900 Metern Höhe. Ein Wallfahrtsort, einmal im Jahr besucht von den Zoros, die genauso wie wir steile 250 Höhenmeter über Treppenstufen zurücklegen, nicht ganz ohne. Belohnung ist dann da oben der Feuertempel mit dem Feuer, das nie verlöschen darf. Chak Chak heißt er vom tropfenden Wasser der verehrungswürdigen Quelle. Feinste Onomatopoesie. Wir sind berauscht vom kernigen Aufstieg und dem überzeugenden Panorama, über welches der Sandsturm einen milchig-braunen Filter gelegt hat. Bizarr-gewaltige Urkraft. Fehlt nur noch Zarathustra.
- Kharanaq: Unerbittlich steuert Mehrdad weiter, eigentlich sind wir spätestens mit Chak Chak satt und kaum mehr aufnahmefähig. Karawanserei im Sonnenuntergang wird fotografiert, Burg und Moschee werden erwähnt, aber nicht mehr gewürdigt. Mag sein, dass Kharanaq damit eigentlich zu kurz kommt, aber so isses nun mal.
So gegen 20.30 sind wir dann in Yazd am Silkroad Hotel. Pickepackevoll mit den unterschiedlichsten Eindrücken von der Fahrt. Bei einem alkoholfreien Pfirsichbier versuchen wir ein wenig herunterzukommen und die Eindrücke zu sortieren. Bis uns unsere Nachbarn unserer sehr schön gelegenen Zimmer einen Strich durch die Rechnung machen. Die Sinas, Parham und sein Pa, bereisen den Süden Irans und haben jede Menge interessanter Sachen über den Iran zu erzählen. So geht es dann doch noch deutlicher später als gedacht ans Schlafen. Egal, genau solche Begegnungen, solche Gespräche machen einen Urlaub ja zusätzlich interessant.
Wir sehen also erst am nächsten Morgen die überragende Lage unserer Zimmer. In einer kleinen Seitengasse sind sie, mit einem kleinen Innenhof, von dem die Zimmer abgehen. Der Morgen empfängt uns mit bezauberndem Sonnenschein. Strahlend blauer Himmel, Blick bis zu den Bergen und eine Panoramarundumsicht über die Dächer von Yazd, die besser nicht geht. Angesichts dieser überragenden Aussicht verlängern wir in Yazd um einen Tag. Die Windtürme, die Moscheen mit ihren Doppelminaretten und die Altstadt wollen entsprechend gewürdigt werden.
Spätestens seit Isfahan, hier aber noch mehr, ist die legendäre Seidenstraße auch unser Thema. Oder Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Gewürze, Stoffe, Teppiche – wir sind an der Seidenstraße. Spätestens auf dem Basar kann man tief in diese Kultur eintauchen. Und dann die ganzen Karawansereien – in Yazd, in Kharanaq, in Meybod, in Isfahan. Nicht ganz zufällig heißt ja auch unsere Unterkunft in Yazd Silkroad Hotel. Und in den Geschichten aus Tausendundeiner Nacht wähnen wir uns ja eh schon die ganze Zeit.
Zentral und direkt neben dem Silkroad ist die Jame-Moschee mit ihren Doppelminaretten. Yazd hat – zumindest im Zentrum – nur Doppelminarette. Und eben die schon in Kashan bestaunten Windtürme. Nur sind in der Wüstenstadt Yazd einfach unzählige, einige sehen wir bei unserem ersten Gang durch die pittoreske Altstadt. Am Meidan-e Amir Chaghmagh steht ein Wasserspeicher mit gleich fünf Windtürmen.
Der Star am Platze ist aber unzweifelhaft die Amir-Chaghmagh-Moschee aus dem 15. Jhdt. Hier ist der so überreiche Fliesenschmuck sogar etwas zurückgenommen, was die geometrische Struktur noch stärker betont.
Anschließend raus zum Dowlatabad-Garten mit dem höchstem Windturm Yazds, 33 Meter hoch isser. Wir sehen, vor allem aber spüren wir die Konstruktion und Wirkung von so nem Windturm. Draußen ist es brütend heiß, eigentlich nur im Schatten zu ertragen, wir spüren keinen Windzug. Drinnen ist es angenehm kühl, wir merken sogar einen Luftzug. Irre, irgendwas an Luft wird da oben immer eingefangen. Auf dem Weg nach unten durch die Röhren wird die Luft sogar noch ein bissel gekühlt und hier unten kühlt sie den ganzen Raum auf eine angenehme Temperatur.
Wir haben viele ähnliche Bilder geschossen, logisch. Das hier aber hat Armin exklusiv.
Mich zieht es anschließend noch einmal in die Gassen der Altstadt mit ihren entzückenden Bogengängen, die von der langsam untergehenden Sonne in warmes Licht getaucht werden. Und auch hier wieder das Thema Begegnungen, durch Zufall treffe ich Alavi, die sich freut, jmd. aus Deutschland zu treffen. Offenbar so sehr, dass sie mir einen Teil ihrer Lebensgeschichte erzählt. Eine bewegte Geschichte, u.a. hat sie in den 70ern in Bochum studiert. Und das verbindet ja auch irgendwie.
Zum Abendessen haben wir im Silkroad Kamelgulasch. Irgendwie lecker, aber auch nicht anders als Rind.
Grundsätzlich – sagt fast jeder Reiseführer – reicht ein Tag für Yazd. Wenn man das Umland noch mitzählt, dann zwei Tage. Aber das Umland haben wir ja schon gesehen und die Stadt haben wir am Vortag ausgiebig erkundet. Dennoch reizt die Altstadt mit ihren unzähligen verwinkelten Gassen weiterhin. Kurzerhand mieten wir uns zwei Fahrräder für kleines Geld, Lust an einer Alternative zum Laufen nennt man das wohl. Für zwei Stunden geht es nun kreuz und quer durch die Altstadt, manche Gassen sind so schmal, dass wir gerade so durchkommen, andere so ums Eck gebaut, dass wir höchste Steuerkünste aufbringen müssen und wieder andere erscheinen als höchst interessant, entpuppen sich aber als Sackgasse. Wir haben unendlichen Spaß, kreuzen nach links, kreuzen nach rechts und selbst als die Kette abspringt ändert dies nix an unserem euphorischen Vergnügen. Im Gegenteil, Hilfe naht ausgerechnet an einer Bäckerei. Selbstverständlich kaufen wir als kleines Dankeschön ein ofenfrisches Fladenbrot, nie war ein Fladenbrot frischer und leckerer. Und fast müssen wir dem Bäcker das Geld aufdrängen, eher scheint es, dass er sich bei uns bedanken will, dass er uns helfen durfte.
Wer also wann immer nach Yazd fährt muss selbstverständlich die Altstadt erkunden, das ist klar. Zur Steigerung des Vergnügens einfach am Vaght-ol-sa’e-Square nach dem kleinen Fahrradverleih Ausschau halten und schon kann die Party steigen.
Ein Kaffee für Armin, ein Safrantee und ein Rosenwasser für mich auf der Sonnenterasse der Tourist Library zum Runterkommen und dann, vom Fahrradladen zwei Ecken weiter, zum Mirza Reza Traditional & Historical Bath. Traditionelle Badekultur, Armin ist sofort Feuer und Flamme, ich lasse mich gern anstecken. Es wird ein intensives Badeerlebnis mit Körperreinigung, Intensivwäsche, Massage von Knochen, die ich lange nicht gespürt habe. Ein Reinheits- und Körperpflegegefühl der besonderen Art. Natürlich zum rituellen Abschluss ein Tee. Jederzeit wieder.
Nach einer ausgedehnten Ruhephase schauen wir zum Basar, der uns aber nicht überzeugen kann. Amir-Chaghmagh-Moschee noch einmal, heut mit Safraneis und dann zum Abschied zurück durch die Altstadt. Die ist und bleibt überragend.
Einen zoroastrischen Feuertempel hätte es noch gegeben, sozusagen als Abrundung von Abyaneh und Chak Chak, aber so weit haben wir uns in den zoroastrischen Glauben denn doch nicht vertieft.
Nur so viel: Der Glaube beruht auf der Reinheit der Elemente Erde, Luft, Wasser. Das heiligste Element indes ist das Feuer. Dazu kommt der ethische Leitsatz gute Gedanken, gute Worte, gute Taten – Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Zivilcourage. Ein zutiefst naturverbundener Glaube mit großartigen ethischen Leitsätzen. Mit prominenten Anhängern wie Zubin Mehta und Freddy Mercury.
Die letzte Station der phänomenalen Reise wartet. Über Abarkuh, Pasargad, Naqsh-e Rostam und Persepolis fährt uns unser Fahrer nach Shiraz. Gebucht ganz entspannt im Silkroad. Leider kann er so gar keine andere Sprache außer Persisch, aber irgendwie funktioniert die Kommunikation im Iran ja doch immer und so auch hier.
Abarkuh hat das Abarzadeh House mit drei Windtürmen, die es auch auf den 20.000-Rial-Schein geschafft haben. Nette Anlage. Den zoroastrischen Glauben haben wir dann später wieder bei einer mehr als 4.000 Jahre alten Zypresse. Die war auch schon früher alt und wurde dementsprechend verehrt von den Zoros. Heute gehört diese Zypresse wohl zu den ältesten Bäumen der Welt.
Pasargad und Naqsh-e Rostam finden wir recht unspektakulär und damit schnell erledigt, auch wenn in Naqsh die Gräber der achämenidischen Könige sind. Immerhin sei hier der Achämeniden-König Xerxes I. erwähnt, der seines Zeichens Zoroastrier war.
Persepolis hingegen braucht schon seine Zeit, lohnt sich aber. 500 v. Chr. gründete König Darius I. die Hauptstadt Parsa, von den Griechen dann Persepolis, Stadt der Perser genannt. Es war die Repräsentationshauptstadt des achämenidischen Weltreiches, das von Ägypten bis Pakistan reichte. Alexander ließ zumindest Teile der Stadt niederreißen und plündern, kurze Zeit später stirbt er nur 33jährig, Strafe muss sein.
In Shiraz sind wir im Niayesh-Hotel, zentral gelegen, gutes Frühstück, toller Innenhof. Und mittags traditionelle persische Live-Musik, bei dem das Santur eine große Rolle spielt.
Livemusik gibt es auch im Sharze, in dem wir zwei Mal bestens essen, einmal mit den Sinas, die wir völlig überraschend in Shiraz wiedertreffen. Wen stört da schon bei solch angenehmer Gesellschaft die Erkenntnis, dass das Restaurant ein überteuerter Touri-Laden ist? Irgendwie keinen, die Geschichten und das Essen sind wichtiger.
Es sind halt immer wieder die Begegnungen, die uns überraschen, erstaunen und freuen. Viele ähnliche Begegnungen, viele neugierige Fragen, viele Einladungen zum Tee. Immer begleitet von einer höflichen Zurückhaltung. Zu keiner Zeit haben wir hier das Gefühl von Unsicherheit – im Gegenteil. Die Herzlichkeit und Offenheit, diese überragende Gastfreundschaft sind einfach umwerfend.
Die Nasir-ol-Molk Moschee mit ihren bunten Fenstern und Kacheln ist noch einmal ein Hingucker. Allerdings ein ziemlich überlaufener. Auf dem Weg dorthin treffen wir ein letztes Mal die deutsche Reisegruppe. An den überraschendsten Orten haben wir sie bisher getroffen, Isfahan ist jetzt vielleicht noch gar nicht so überraschend, mitten in der Wüste dann schon eher.
Bis auf wenige Ausnahmen hatte die Gruppe das gleiche Städte-Programm wie wir, nur sind wir individuell gereist und haben so ca. 1.300 € gesamt ausgegeben, während der Preis für die Reisegruppe bei je 3.500 € pro Nase lag. Dafür mussten sie sich um nix kümmern.
Die Vakil Moschee weiß mit reich verzierten Kacheln zu begeistern, zu begeistern weiß die Moschee aber vor allem wegen ihrer symmetrisch angeordneten 48 Marmorsäulen mit großartiger Reliefverzierung. Jede Moschee hat halt eine Besonderheit, so auch diese aus dem 17. Jhdt. Allerdings sind wir nach 14 Tagen auch ein wenig moscheensatt, das hat uns eben schon den Abschied von der überlaufenen Nasir-ol-Molk erleichtert.
Das benachbarte Vakil-Badehaus entstand zeitgleich mit der Moschee und ist heute ein traditionelles Bademuseum. Gnadenlos voll ist es, letztlich hat mich – vielleicht gerade deswegen – das Bad in Kashan dann mehr überzeugt.
Wir wollen dem Trubel entgehen und besuchen den Botanischen Garten und siehe da, hier treffen wir Pierre wieder, ein paar Tage nachdem sich unsere Wege in Yazd getrennt haben. Und wir treffen einen kleinen aber feinen Buchbinderladen, ich liebe dieses Handwerk.
Irgendwann ist es dann immer so weit, der letzte Urlaubstag bricht an. Ein wenig Programm haben wir uns noch zurechtgelegt, starten aber aufgrund der Abflugzeit am nächsten Morgen um 5.00 Uhr so spät wie möglich.
Überzeugend ist bei bestem Wetter der Weg zum Hafis-Mausoleum. Er führt uns am überragenden Ali Ibn Hamza Mausoleums vorbei. Schon von weitem zeigt sich eine Besonderheit der Kuppelarchitektur in Shiraz: die Knospenform, die sich gerade bei diesem Mausoleum in schönster Vollendung zeigt. Damit nicht genug ist die Kuppelhalle fast vollständig verspiegelt, was den nicht wirklich auffälligen Kenotaph würdig hervorhebt. Eine der schönsten Anlagen unserer Reise, von außen nach innen – von innen nach außen ein Gesamtkunstwerk.
Um den ästhetischen Wert geht es beim Hafis Mausoleum vordergründig nicht. Es ist die Verehrung für Hafis, den iranischen Nationaldichter, der mit diesem Mausoleum gewürdigt und nach wie vor höchst lebendig ist. Im Iran. In Deutschland jetzt eher nicht so, obwohl seine Gedichtsammlung „Diwan“ Vorlage und Inspiration für Goethes „West-östlichen Divan“ war.
Armin vertieft sich im Garten noch ein wenig in die Geschichte(n) um Hafis und Goethe, ich will auf den Basar. Am letzten Tag hab ich noch Rial im Werte von ca. 40 Euro, die ich auf dem Basar vor allem für Gewürze ausgeben will. Das ist noch einmal eine richtige Herausforderung zum Schluss, weil die Gewürze einfach so dermaßen preiswert für mich sind, dass ich am Ende vier Kilo coolste Sachen am Start habe, nochmal beim Safran zuschlage und immer noch locker Geld habe für ein Iran-Trikot, das dann aber auch nur knapp 10 Euro kostet.
Es ist also auch am letzten Tag wie am ersten: das Geld bleibt ein absolutes Mysterium für uns. Zunächst können wir unsere sonst so zuverlässige App in die Tonne treten. Die spiegelt den offiziellen Regierungskurs wider, der ist aber in der Realität Schrott. Der Kurs in den Wechselstuben ist bei 1 € = 140.000 Rial oder 1 € = 14.000 Tuman. Sei ganz einfach zu rechnen, lesen wir im Vorfeld, ist es aber nicht. Nie wissen wir, wer nun wie rechnet. Allerdings haben wir auch nie den Eindruck, dass uns jemand übers Ohr hauen will und ohnehin ist es extrem preiswert, im Iran zu reisen.
Ein letztes Mal persische Küche, heute im Kathemas ein Lubia Polo, ein traditionelles Reisgericht mit Hackfleisch.
Abends raus zum klitzekleinen Flughafen und dann beginnt das Warten. Warten bis 5.55 Uhr, dem Abflug nach Doha. Bissel schwierig, auf dem Flughafen ist nix los. Über Doha und Frankfurt geht es wieder zurück und 14 sehr, sehr geile Tage in einem unfassbar faszinierenden Land.
Manches im Iran ist ambivalent. Auf der einen Seite z.B. diese überragende Gastfreundschaft auf der anderen Seite die Religionspolizei, mit der wir allerdings nicht das geringste zu tun hatten, wir sind komplett unbehelligt gereist und selbst die Visakontrolle bei der Einreise war von einer Kürze, die mich doch etwas überrascht hat. Aber das eine ist der Staat, das andere das Private.
Auf der einen Seite Kopftuchgebot und eigene Abteile für Frauen in der Metro, auf der anderen Seite auch Frauen, die in den Männerabteilen sitzen. Auf der einen Seite die reiche Kulturgeschichte, auf der anderen Seite die islamische Revolution 1979 mit Begleiterscheinungen, die die Menschen einschränken. Und die so sicher auch nicht Ziel der Auflehnung gegen den Shah waren.
Mit der islamischen Revolution führt der Revolutionsrat auch das Kopftuchgebot ein. Mittlerweile hat sich der Umgang damit gelockert, viele der bildhübschen iranischen Frauen tragen das Kopftuch eher als modisches Accessoire, das mehr zeigt und betont als verhüllt. Oben auf dem Tochal werden die Kopftücher dann teilweise auch ganz weggelassen. Scheint so, als ob die Religionspolizei nicht zu viel Druck auf dem Kessel lassen will, die Sanktionen und die damit einhergehende Inflation verlangt dem Volk einiges ab. Ähnlich ist es wohl mit dem Alkohol. Es gibt seit der Revolution ein Alkoholverbot, dennoch wird auch im Iran Alkohol konsumiert, was der Regierung auch bekannt ist. Wir verzichten allerdings auf Experimente, denn auf Gelstrafe oder gar Peitschenhiebe hat nun keiner Lust.
Es gibt sehr viele Frauen am Steuer, eine Selbstverständlichkeit genauso wie das Studium. Die Frauenquote an den iranischen Unis ist bei 60% und es gibt mehr Frauen in Führungspositionen als in Deutschland.
Und – oh Wunder – nicht jeder Iraner läuft mit einer Atombombe durch die Gegend und ein Messer zwischen den Zähnen hat auch keiner. Die Bedenken gegenüber dem Iran dürfen eher als ein Lehrstück in Propaganda gelten. Das Bild vom aggressiven, ungastlichen Unterdrücker- oder Schurkenstaat, welches ja so gern von den Amis gezeichnet wird, darf deutlich korrigiert werden. Aber es scheint ja einfacher zu sein, der amerikanischen Propaganda zu folgen als sich mit dem Iran auseinanderzusetzen. Der amerikanischen Propaganda, die schon den Irak-Krieg 2003 mit inzwischen nachgewiesenen Falschinformationen befeuerte und letztlich erst zum Ausbruch brachte. Leider scheint man ja aktuell wieder auf dem besten Wege zu einem schweren Konflikt in der Region. Und wieder haben die Amis das Feuerzeug an der Zündschnur. Und wieder wird die Zivilbevölkerung, die eh schon ohne Ende leidet, der große Verlierer sein.
Das ist zwar ein gänzlich neues Thema und führt auch zu weit an dieser Stelle, gehört aber eben auch zu diesem Urlaub – zu einem Urlaub in einem wunderschönen, facettenreichen und bezaubernden Land. Eine Reise in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Jederzeit wieder.
chapeau!