Vor meinem Geburtstag geht es nach Glasgow und Edinburgh. Die Highlands bleiben erst mal weiterhin ein Ziel, welches in der Kürze der Zeit schlicht nicht realisierbar waren.
Von Weeze geht es nach Prestwick, die Weiterfahrt von Prestwick letztlich auch, die einen oder zwei Tage zuvor unterspülten Gleise werden mit dem Bus überbrückt. In Glasgow ist genug Zeit, um meine Klamotten im Hotel abzustellen, die ersten Eindrücke von Glasgow einzusammeln und nach Motherwell aufzubrechen, denn schließlich will der Länderpunkt Schottland ja auch gemacht werden. Motherwell ist ein kleiner Vorort von Glasgow mit Erstligamannschaft und einem typischen britischen Stadion, mitten im Wohnviertel. Eng. Alt. Offene Ecken. Schön. Die Haupttribüne sieht nicht wirklich zu Ende gebaut aus, aber aktuelle Bestrebungen, dies zu ändern, sind auch nicht zu erkennen. Wie auch immer, wir haben Spaß an dem Kick, der uns fünf Tore beschert. Meinen Einwand, dass das sehr unterhaltsam sei hier, aber spielerisch auf bedenklichem Niveau sei (der 12. der schottischen Liga spielt gegen den 11.), weiß Fred mit der schlichten Frage zu kontern, ob ich denn bei Eintracht immer hochklassigen Fußball sehen können würde. Erwischt… Belassen es wir dabei. Motherwell F.C. gewinnt gegen Falkirk F.C. 3:2 (2:1) in einem interessanten Spiel.
Der weitere Tag ist Glasgow vorbehalten. Erwartungsgemäß keine Stadt, die Schönheit sofort offenbart. Spannend ist Glasgow aber allemal, was wir bei einem ausgedehnten Gang durch die Stadt feststellen. Aktuell bewegen wir uns nur im engen Stadtkern, welcher in den 60er Jahren sicherlich noch ein wenig verrußter war; Industriemetropole halt. Ohne Zweifel aber ist in Glasgow unendlich viel interessante Bausubstanz zu entdecken; viel Ornamentik an diversesten Gebäuden und auch der Jugendstil kommt nicht zu kurz. Was man braucht, ist nicht so sehr Zeit, denn das Zentrum ist sehr kompakt und für die wesentlichen Straßenzüge braucht man bestenfalls einen Tag. Man braucht v.a. den Willen, sich auf die Straßenzüge einzulassen und auch ein wenig „Entdeckerwillen“. Die Belohnung indes ist reichhaltig.
Aber Zeit haben wir eingeplant und so fällt es uns auch recht leicht, andere Seiten von Glasgow zu entdecken. Ein Glasgow, welches ab den 70er Jahren raus wollte aus dem Ruf einer schwarzen, tristen Industriestadt und dafür ein umfangreiches Programm aufgelegt hat. Ehemalige Fabrikhallen wurden abgerissen oder umgewidmet, die Häuser sandgestrahlt und vor allem wurden weiträumige Grünanlagen eingerichtet. Hier braucht’s dann schon mehr Zeit, sinnvoll investiert ist sie allemal, insbesondere, wenn die Erholung nicht zu kurz kommen soll. Zur Erholung gehören selbstredend auch die Pubs. Es ist einfach eine andere Kultur diesbezüglich auf den Inseln. Kommunikativer Ort und schön anzusehen sind die meisten, aber wem erzähle ich das☺. Der Favorit für den Urlaub ist „The Pot Still“. Da dies die Brennblase bei der Whisky-Herstellung bezeichnet, verwundert es sicher nicht wirklich, dass neben diversen Ales auch eine schier unüberschaubare Anzahl an Whiskys präsentiert wird und der Verkostung harrt. Traumhaft, wenn man diesen edlen Tropfen etwas abgewinnen kann. Interessant immerhin noch, wenn man den reinen Genuss eines guten schottischen Ales vorzieht. Sollte es mich nochmals nach Glasgow verschlagen, ist schon jetzt ein Abstecher in die Hope-Street vorgemerkt.
Die ersten Eindrücke von Glasgow unterbrechen wir für eine Zugfahrt nach Edinburgh; wenn schon nicht die Highlands, dann aber die herausragenden Städte Schottlands. Es wird eine Zeitreise. Glasgow ist abseits von der Hektik anderer Großstädte pulsierend auch noch später am Abend. Das Klischee der Arbeiterstadt wird gerne bemüht. Edinburgh ist ganz anders. Sehr viel britisches Mittelalter, von fast erschlagender romantisch-schöner Ausstrahlung. Abends aber wird es z.B. auf der Royal Mile, der Hauptattraktion der Stadt, die von der Burg hinunterführt zum Palace of Holyroodhouse, sehr still. Die Touristen sind weg, die Touristenläden haben zu und eine fast schauriggespenstische Stille legt sich über den Teil der Stadt. Wahrscheinlich werden genau deswegen hier so viele GruselTouren angeboten. Mary Shelleys Frankenstein, so meine erste Vermutung (ist ja auch schon ne Weile her, dass ich das Buch gelesen habe), hat übrigens nichts damit zu tun.
Zwei Tage Zeit haben wir uns für Edinburgh geben können, ist halt, wie erwähnt, ein recht enger oder anders ausgedrückt intensiver Zeitplan. Erstes Ziel ist der Arthur’s Seat, ein kleines aber feines Gesteinsmassiv vulkanischen Ursprungs mitten in der Stadt, womit auch klar ist, auf welchem Grund Edinburgh gebaut ist. Selbst wenn klein sicher zutreffend ist und wir auch nicht ansatzweise auf die Idee kommen, hier so was wie Highlands-Ersatz zu finden, reicht der kurze, aber heftige Anstieg von mehr oder weniger 0 auf 250 m (sagt der Reiseführer; ich fand’s höher) aus, um den Kreislauf auf gute Betriebstemperatur zu bringen. Der Panoramablick ist unschlagbar und wird nur ein klein wenig gestört durch eisigen Wind. Nicht nur hier zeigt sich, dass Edinburgh überraschende Steigungen zu bieten hat.
Die anschließende Kaffeepause im Parlamentsgebäude haben wir uns redlich verdient und nach dieser ist der Genuss modernster Architektur des 2004 eröffneten Parlaments noch mal so schön. Der Wechsel der Straßenseite im Anschluss schießt uns um Jahrhunderte zurück, Holyroodhouse ist das Ziel und damit die offizielle Residenz der britischen Königin in Schottland. Spannendes Teil mit einer zerfallenen Abtei, die mal nicht von den Wikingern plattgemacht wurde, was gar nicht so typisch für die Inseln ist. Bis jetzt war jede kleinere oder größere Kirchruine auf den Inseln, die ich gesehen habe, von den Wikingern heimgesucht worden. Die Jungs waren eben äußerst unternehmungslustig, was aber hier nicht so ganz das Thema ist.
Der weitere Weg ist der zur Burg, die aber nur abgelichtet wird; für einen ausgiebigen Besuch ist es zu spät. Ohnehin haben wir sie nicht vorgesehen für einen Besuch, am nächsten Tag werden wir uns in dieser Entscheidung bestätigt wissen. Der ist verregnet, was unangenehm, aber für Schottland nicht ungewöhnlich ist, schon gar nicht in dieser Jahreszeit. Ich hätte zwar grundsätzlich gern drauf verzichtet, aber nun weiß ich endlich, dass es den vielzitierten Regen auf den Inseln auch tatsächlich gibt. Hatte ich ja bisher noch nicht. Der Abstecher zur knapp drei Kilometer langen Forth Bridge steht dementsprechend unter dem Regeneindruck. Beeindruckendes Schauspiel der Ingenieurkunst. Zurück in Edinburgh zieht’s uns in die alte New Town, die jetzt gar nicht so neu ist, ist sie doch schon an der Wende vom 18. zum 19. Jh. errichtet. Die Straßen sind reißbrettgeplant gerade und auch hier wird man nur entlohnt mit dem Blick aufs Detail. Georgianische Straßenzüge glänzen nicht, wirken in Perspektive gesehen eher eintönig, wie ich finde, geben aber teilweise fast unglaubliche Einblicke preis, wenn man sie wirken lässt, was gleichbedeutend ist mit einem längerem Gang durch diese Neustadt.
Zurück in Glasgow ist das Victorian House wieder die Übernachtungsadresse, eine wirklich gute Wahl. Preis, Zimmer, Frühstück und Lage sehr okay. Ein paar Whisky und Ale später geht Freds Flieger zurück nach Limerick, ich habe noch einen weiteren Abend in Glasgow. An dieser Stelle ist vielleicht ein Einschub zu dem ja so schlechten britischen Essen angebracht: Das Frühstück, welches ja jeweils mit „Full Scottish Breakfast“ bezeichnet worden war, ist gewohnt reichhaltig; man mag es oder man mag es nicht. Wenn man es nicht mag oder sich darüber beschweren will, sollte man einfach nicht die Inseln besuchen! Soviel dazu. Abends lässt es sich sowohl in Glasgow als auch in Edinburgh gut speisen, und wenn man Haggis nicht toll findet, ist es immer noch möglich, abseits von McD oder Ähnlichem gute und spannende Orte zu finden. Die Insel kulinarisch zu verteufeln, ist zwar immer noch in Mode, wird dadurch aber nicht richtiger und vor allem langweilt und nervt es mich mittlerweile. Für mich geht’s etwas später nach Weeze zurück und deswegen habe ich noch ein wenig Zeit in Glasgow, vor allem aber später in Prestwick. Dort steht ja nun mal der Flughafen und ist ne knappe Stunde von Glasgow entfernt. Bei einer Abflugzeit von 06.45 Uhr nicht wirklich mit dem Zug zu so früher Stunde zu nehmen, also wechsle ich meine Schlafstelle für die letzte Nacht und habe mit Prestwick zwar ein verschlafenes Dorf mit Flughafenanschluss gebucht, aber eines, welches eine unglaublich langgezogene Bucht am Atlantik zu bieten hat. Ich nutze sie zu einem langen Gang am Meer; zum Glück kann ich Gänge durch hektische Betriebsamkeit von Großstädten genauso ab wie Gänge am Meer. Und so ein windgepeitschtes Meer ist ganz nach meinem Geschmack; ein ganz hervorragender Abschluss.