Als Robin und ich Ende Mai Richtung Miami abheben, liegt ein extrem emotionales halbes Jahr hinter uns. Verschiedene Faktoren sind dafür verantwortlich.
Für mich kann das Jahr nicht bedrückender beginnen, die Wochen bis Ostern sind geprägt vom langen, intensiven und bitteren Abschied von Vati und auch wenn wir angesichts des Leidens in den letzten Jahren und Monaten von einer Erlösung gesprochen haben, so ist dieser Abschied doch bitter und tränenreich und hinterlässt eine Stelle, die Leere bedeutet, gerade bei alltäglichen Anlässen wird dies deutlich. Das wiegen für den Moment auch nicht die unzähligen schönen Stunden auf. Nur langsam, eigentlich gar nicht bis zum endgültigen Abschied, wird mir klar, dass etwas unwiederbringbar vorbei sein wird, dass danach viele Dinge anders sein werden, manchmal vielleicht nur ein kleines bisschen, aber dieses kleine Stück wird das Entscheidende sein. Genthin, meine alte Heimat, hat sich in einem Punkt entscheidend verändert. Selbstverständlich merke ich dies an vielen Orten, denn viele Orte sind mit Erinnerungen aufgeladen. Es sind sehr viele Orte, die mich melancholisch stimmen, denn sie haben nun ein anderes Licht, einen anderen Klang, ein anderes Gefühl – viel später merke ich, wie sich die Räume von mir entfremden. Oder entfremde ich mich von Ihnen? Das gilt zwar nicht für unser Haus, aber auch hier ist letztlich alles anders. Es fehlt dauerhaft jemand in der Küche, sei es beim Frühstück, sie es beim Mittag, sei es beim Abendessen, es fehlt dauerhaft jemand im Wohnzimmer – egal wie lange man miteinander erzählt hat. Und ich war ja nun auch nicht immer da. Selbst die immer einladende Terrasse, der Ort so vieler gemeinsamer Feiern, scheint sich in den letzten Tagen wesentlich zurückhaltender zu präsentieren. Aber es wäre wiederum nicht angebracht – insbesondere Vatis Lebenseinstellung folgend – nur negativ und melancholisch auf die Dinge zu schauen.
Also: Mach‘s gut Vati! Ich vermisse Dich! Ich bin das oder der ich bin nur durch Dich und durch Euch meine lieben Eltern. Und das mit allem Stolz und aller Konsequenz.
Die emotionale Achterbahnfahrt geht rasant weiter. Exakt 14 Tage nach der Beerdigung geht es nach Ingolstadt und was in der letzten Minute passiert ist, wurde und wird noch so oft Thema sein, dass ich es hier bei der Erwähnung belasse. Damir Vrancic!
Emotional aber vor allem ausgelassen ist die Aufstiegsfeier am 20.5. vor dem Rathaus, Eintracht ist in der 1. Liga, ein Erfolg, den ich niemals für möglich gehalten hätte, seit ich 1990 in Braunschweig das Studium begann und den Fall in und den Weg durch die 3. Liga begleiten durfte.
Eine Woche später sitzen wir dann im Flieger und mit einem äußerst nervigen Stopover in Heathrow geht es nach Miami, Anlass ist die letztlich völlig sinnfreie Länderspielreise des DFB. Bayern und der BVB stehen zeitgleich im CL-Finale und so ist der Kern der Mannschaft gar nicht erst dabei.
Egal, wie schon bei anderen Touren stehen auch andere Punkte auf dem Plan. Die Flughafenkontrollen in Miami sind erstaunlich locker und schnell, ich hatte anderes erwartet. Richtung Hotel geht’s mit dem Bus, dann noch bisschen laufen. Paar Querstraßen weiter sind Verpflegung und Supermarkt, was mich zunächst noch irritiert sind die ultrakurzen Grünphasen für Fußgänger und so mancher Fußweg ist als solcher kaum zu erkennen, so schmal wie er ist. Hatte ich vergessen, dass in Amerika alles auf den Autoverkehr ausgerichtet ist? Scheint so.
Ehe am Abend Henning und Basti aus New York zu uns stoßen, wollen wir heute Miami erkunden. Lässt sich aus meiner Sicht recht schnell zusammenfassen. Einige fette Apartment- oder Hotelbunker, viel Blick auf Schicki-Micki und fette Yachten und ein Highlight mit dem Art Deco District. Da lässt es sich aushalten, der Rest ist jetzt nicht so meins, ist mir letztlich zu viel Glasfassade ohne Charakter.
Am nächsten Tag, Robin und ich haben trotz bedeckten Himmels eher die Farbe von Lobstern, wie uns einen Tag später bestätigt wird, bedeckter Himmel und Fahrt nach Boca Raton. Deutschland gegen Ecuador, mehr Ecuadorianer vor Ort, aber das war zu erwarten. Paar Biere am Parkplatz, dann das Spiel, irgendwie kann ich mich nicht restlos mit allem erwärmen. Kein Umfeld, kein Flair hier, das Stadion zweckmäßig gebaut. Kann ja sein, dass der gerade hier ansässige Footballverein irgendwann mal wegen der Besitzer weiterziehen muss und das Stadion dann über ist. Kein Support im Stadion war zu erwarten, das Spiel von einer Beliebigkeit von Eintracht-Testspielen, nur mit mehr Zuschauern. 4:2 für Deutschland.
Anschließend die Shoppingmall vom Feinsten, bevor es am nächsten Tag nach Key West geht. Es geht entlang des legendären Overseas Highway, der 40 kleine Inselchen der Florida Keys miteinander verbindet und so erst den Weg ebnet nach Key West. Immer wieder sind auch Teile des alten Highways links oder rechts zu sehen, Spaß macht‘s.
Das Hotel in Key West lässt wieder einen eindrucksvollen Blick auf die Autofahrernation zu, mit dem Auto geht’s bis direkt vor die Zimmertür. Das Pflichtprogramm mit Baden an der Kreuzung zwischen Atlantik, Golf von Mexico und dem Karibischen Meer wird abgespult und selbstverständlich gehört auch der südlichste Punkt der Vereinigten Staaten dazu, 90 Meilen von Kuba ist er laut Landmarke entfernt. Abends dann lecker Essen und am nächsten Tag auf dem Rückweg in die Everglades mit der obligatorischen Bootstour über die unendlichen Gras-Wasserflächen und einem Blick auf die Alligatorfarm.
Am nächsten Tag der Inlandflug von Miami nach Washington, nicht ohne unsere restlichen Budweiser in der Flughafentoilette zu trinken, bisschen albern, aber sehr kultig:-).
Anflug Washington, es geht zum Ronald Reagan Airport, geht in unmittelbarer Nähe am Pentagon vorbei. Spannend. Der Flughafen ist ziemlich zentral, der Weg in die City und zum Bier Baron (tatsächlich ein Hotel) ist recht schnell erledigt. So können wir gleich noch am Ankunftstag die Ecke um das Weiße Haus abgrasen. Abends gibt es den Absacker im Bier Baron, praktisch, dass hier nicht nur eine für den deutschen Mob interessante Pinte drin ist, sondern auch unser Zimmer.
Am nächsten Tag – die Temperaturen sind genauso wenig erträglich wie in Florida – geht’s zur Mall, klassisch den Weg vom Vietnam Memorial über das Lincoln Memorial, Korean War M., National WWII M., Washington Monument zum Capitol. In zwei Dingen sind die Amis ganz groß: Kriege führen und anschließend Memorials errichten. Und da isses dann wieder, das zwiespältige Gefühl, das ich vor der Reise hatte. Einerseits spannend und die USA will man ja dann doch irgendwann mal gesehen haben, andererseits geht mir diese Nation doch ziemlich auf den Puffer. Aber nun bin ich hier und sollte mich auch nicht allzu sehr beschweren.
Leider müssen wir unterwegs Henning zurücklassen, dem das Wetter und/oder die Reiseumstände zumindest am heutigen Tage überhaupt nicht bekommen. Hinsichtlich Mall kein Drama, das lässt sich nachholen, hinsichtlich des nun folgenden und deutlich interessanteren Länderspiels sehr sehr ärgerlich. Anlässlich des 100. Geburtstages des Verbandes haben sich die Amis Deutschland eingeladen und mit der Rumpftruppe ist Deutschland auch ein guter Gast, der 3:4 verliert. Es stehen ohnehin eher der Anlass und das schmucke Stadion im Vordergrund.
Am nächsten Tag folgt noch der eigentlich völlig sinnfreie, aber umso lustigere Ausflug zum Laden, der Wolters im Programm hat. Die Tour da raus ist lang und lustig, passt also. Nachdem die touristischen Bedürfnisse mit Kauf der Souvenirfläschchen und Fotos erledigt sind, kann dann auch das erste vernünftige Bier der Tour getrunken werden. Jaja denken jetzt alle, bei Wolters gehen wieder die Emotionen und Heimatgefühle durch, aber diese Geschmacksexplosion nach Tagen dieses Budweiser-Gebräus war schon beeindruckend. Fairerweise muss ich zugeben, dass das aber wohl auch mit dem mittlerweile zum Mainstream verkommenen Hasseröder oder Becks funktioniert hätte. Was in diesem Falle aber nur eine Aussage über das Budweiser ist.
Nachmittags der Arlington Nationalfriedhof, der für Mitglieder der USA-Streitkräfte, Veteranen, Präsidenten und was weiß ich noch alles vorgesehen ist. Ein krasses Areal, sehr beeindruckend in dieser klaren, immer wiederkehrenden Struktur. Und – ja – auch das Marine Corps Memorial weiß zu beindrucken.
Für Robin und mich kommt am nächsten Tag der Abflug, Henning und Basti weilen noch einen Tag länger in Washington. Hat sich definitiv gelohnt, Skepsis hin oder her.