Puffins in den Westfjorden – Gletscher auf Snæfellsnes – Eisberge in Ilulissat. Unterwegs im faszinierenden Norden.
Nachdem 2010 Islands Süden auf dem Programm stand, sollen nun der Westen mit einem Abstecher nach Grönland erkundet werden. Begeistern ließen sich die Frau Mama und Henning und so kommen wir mitten in der Nacht, die Flugzeiten sind nicht optimal, in Keflavik an. Strömender Regen empfängt uns, ebenfalls nicht optimal, aber nicht zu ändern, also bleibt lediglich die Hoffnung, dass es tags darauf besser sein möge. Doch erstmal gilt es, den Jimny optimal zu beladen und unsere Unterkunft in Mosfellsbær zu finden. Ersteres gelingt, wenngleich das auch in den nächsten Tagen eine logistische Herausforderung bleiben wird. Geländegängig und richtig groß sind Attribute, die in Island nur schwer mit dem Attribut preiswert vereinbar sind. Die zweite Herausforderung gelingt auch spielerisch, offline-Karten gibt es ja mittlerweile auch von Island. Ein leckeres Viking noch und dann beginnt schon die Vorfreude auf den folgenden Tag.
Tag 1: An diesem soll es gleich in die Vollen gehen. Wir sind im Vulkansystem des Brennisteinsfjöll im südlichen Teil der Reykjanes-Halbinsel. Geologisch gesehen ist Island ja ein Teenager, die ältesten Gesteine sind aus dem Tertiär und gerade mal 16 Millionen Jahre alt. Im Vergleich dazu die Erde ca. 4,5 Milliarden oder 4.500 Millionen.
Gerad geht es über Gestein, das noch mal ein paar Jahre jünger ist, zum Þríhnúkagígur. Vor so ca. 7.000 Jahren fing es an zu entstehen, was sich bis ins Mittelalter hinzog und noch nicht abgeschlossen sein dürfte. Ich find es irre: während in Mesopotamien die ersten Hochkulturen entstanden, ist hier erst dieses Areal entstanden. Vorher war hier außer Wasser und der Landmasse weiter nördlich noch nix, von Besiedlung ganz zu schweigen.
Und nun soll es in den Þríhnúkagígur hinab, in eine Magmakammer in einem womöglich noch aktiven Vulkansystem. Noch aktiv? Das interessiert aber mal so gar nicht, als wir da mit Bergsteigergeschirr ausgestattet am Krater stehen. Wir warten auf den Fahrstuhl ins Innere dieses Vulkans. Genau das soll‘s jetzt sein, wenngleich die Gefühle noch ein wenig mit mir ringen: der tiefe Schlot und das dann ja doch Ungewisse in dieser freischwebenden Gondel oder die Vorfreude auf das da unten, auf die Magmakammer, auf die Beschaffenheit des Gesteins da unten. Natürlich aber überwiegt die Neugier.
Die Fahrt beginnt, gut 120 Meter oder gut zwei Mal die Flutlichtmasten des Eintracht-Stadions hinab in einem gesteuerten, aber doch frei hängenden Korb. Zunächst durch den doch recht engen Schlot, später durch die recht geräumige Kammer. Den Korb nehmen wir bald nicht mehr wirklich wahr, zu abgefahren ist die Fahrt, zu abgefahren der Schlot, zu abgefahren der Übergang vom Schlot in die Magmakammer, zu abgefahren, das was die Magmakammer bereithält. Wie gesagt, das ist hier im Innern einer Magmakammer. Krass. Dass eine Magmakammer so leerläuft, passiert wohl auch nicht alle Tage, dass aber darüber nicht alles zusammenstürzt und lediglich einen Krater hinterlässt, sondern ein offener, hohler Vulkan, einer Kathedrale gleich, erhalten bleibt, ist wohl noch weniger alltäglich. Und hier ist es sogar zugänglich. Wahnsinn.
Wahnsinn sind ganz klar auch die Farben. Die Wände schillern in den unterschiedlichsten Farben, der Rundkurs, den wir geschützt abgehen können, ohne uns die Knochen zu brechen, hält immer neue Überraschungen bereit. Winzig sind wir inmitten des gewaltigen Gewölbes, umschlossen von einer gewaltigen Stille. An den Wänden Lava und Gestein wie geronnene Zeit, von einigen Strahlern beleuchtet. Es sind aufregende 30 Minuten da unten, unglaublich aufregende. Was für ein Auftakt in den Urlaub!
Wir garnieren ihn mit dem in dieser Region Naheliegenden. Über eine erträgliche Schotterpiste, später werden wir noch andere Kaliber kennenlernen, geht es zum Kleifarvatn.
Der See und vor allem die Gesteine lassen einen Blick auf die in Schichten erkaltete Lava zu. Also nicht das klassische Lavafeld, was wir so oft in Island sehen werden. Und – wohl noch spektakulärer – wenig später kommt das Thermalgebiet Seltún im Vulkansystem Krýsuvík. Es riecht schon von weitem nach Schwefel und wenig später sieht‘s dann auch so aus. Und auch wieder nicht. Denn es ist nicht nur der Schwefel, dessen Geruch hier beeindruckt, sondern die Gesamtheit: blubbernde Schlammtöpfe, dampfende Felsspalten, schwefelgefärbtes Gestein, grüne Wiesen. Ich liebe diese Ecke. Ich liebe es, an dieser Stelle das Gefühl haben zu können, der Erde beim Arbeiten zu sehen zu können.
Der weitere Weg geht über das südliche Lavafeld von Reykjanes. Es ist so eigen, so wenig alltäglich und dann doch wieder so banal. Nein, es ist nicht schön im klassischen Sinne. Und doch ist es berauschend, berückend anders und es ist unglaublich unberührt und fernab. Ich würde immer wieder hierher kommen.
Tag 2: Ganz diesem Hochgefühl folgend geht’s am nächsten Tag voller Vorfreude zur Þingvellir-Region. Eine – sagen wir mal – nicht ganz ausgereifte Weckertechnik beschert uns zwei zusätzliche Stunden für den Tag, was wir auch hervorragend zu nutzen wissen. Auf Þingvellir habe ich mich mindestens genauso wie auf den Vulkan gefreut, ich finde diese Grabenbruchregion nach wie vor magisch. Die Eckdaten sind bekannt, amerikanische Platte und eurasische Platte driften auseinander und hier wird es sichtbar wie kaum ein zweites Mal. Ein Produkt dieser Drift ist die sattsam bekannte Almannagjá. Die steuern natürlich aufgrund der Nähe zu Reykjavik unzählige Touristen an und auf diesen Massenauflauf können wir nun gern verzichten. Nicht aber auf ein paar Ecken hier, die ich, die wir noch nicht gesehen haben, wie z.B. die Silfra-Spalte. Bis zu 18 Meter tief kann man hier in kristallklarem Wasser zwischen den Felsspalten tauchen oder auch nur schnorcheln, ganz nach Belieben. Beides machen wir nicht, wir freuen uns einfach, hier sein zu können und ein Granatenwetter zu haben.
Weiter Richtung Snæfellsnes fahren wir dann durch das Hochland. Die Strecke auf der 550 ist an vielen Stellen von faszinierender Kargheit. Die Piste eine meistens festgefahrene Schotterpiste und die Durchschnittsgeschwindigkeit damit bestenfalls bei 30 km/h. Aber es macht Spaß, irgendwie jedenfalls. Immer im Blick ist der Langjökull, einen Abstecher an den Gletscher haben wir allerdings nicht vorgesehen, wir haben noch zu fahren. Links und rechts der Piste begleiten uns, mal näher, mal weiter weg, Berge und Hügelketten, ansonsten sehr sehr viel Geröll. Kargheit von seiner schöneren Seite. Ein Schnupperkurs Hochland war zwar im Vorfeld nicht explizit vorgesehen, aber umso schöner, dass sich das ergeben hat.
Kurz bevor die Strecke dann doch Gefahr läuft, den Fahrer zu nerven, sind wir dann durch. Wir haben den Hraunfossar erreicht, einen Wasserfall, der mal nicht durch seine Fallhöhe zu überzeugen vermag, sondern durch seine Breite von ca. 700 Metern. Es sieht so aus, als ob das Wasser direkt aus dem Lavafeld kommt, sehr hübsch anzusehen.
Die dann angesteuerte Unterkunft für die nächsten drei Nächte in Snorrastaðir lässt keinerlei Wünsche offen. Die Lage mit Blick hinüber auf den Snæfellsjökull, mit dem Eldborg direkt vor der Tür und ohnehin mit ganz viel Landschaft drumrum ist Klasse, die Größe perfekt und einen Hottube auf der Terrasse zu haben, ist eine kostenlose Zugabe vom Feinsten.
Tage 3 + 4: Dementsprechend euphorisch soll die Halbinsel Snæfellsnes erkundet werden. Dass der Snæfellsjökull fast dauerhaft sein Haupt in Wolken hüllt und zudem der Pfad, der uns zu den Gletscherausläufern geführt hätte, gesperrt ist, müssen wir hinnehmen. Aber auch so können wir uns vorstellen, wo Lidenbrock, sein Neffe Axel und Hans Bjelke in Vernes Roman eingestiegen sind, um zum Mittelpunkt der Erde zu gelangen. Und es ist ja nicht so, dass die Halbinsel alleinig aus dem Jökull besteht.
Da ist zum Beispiel Arnarstapi, mit der irgendwie zweigeteilten Steilküste. Auf der einen Seite gibt’s Felsen in bizarren Formationen und Verwitterungszuständen, die unterlegt sind mit dem Dauergekreische der zahlreichen Möwen. Auf der anderen Seite geradezu himmlische Ruhe, keine brütenden oder kreischenden Möwen mehr, aber dafür ein feiner Rundweg durch zart bemoost und bewachsenes Lavagestein.
Da ist zum Beispiel die Rundtour um den Snæfellsjökull herum durch die Lavafelder bis zum Kirkjufell mit den verrückten tiefliegenden oder auch gern auf der Straße sitzenden Vögeln bei Ólafsvík oder da ist Stykkishólmur, die kleine Perle mit Anleger für Fähren von und nach den Westfjorden, wo wir auch gleich mal unser Ticket für die Rückfahrt von den Fjorden ziehen.
Oder dann unser Hausvulkan, der Eldborg. Von unserer Hütte eine gute Stunde Wanderung. Recht eben ist der Weg. Fast unmerklich wird er am Fuße des Vulkans doch noch recht bissig. Der bis dahin so gemächliche Weg geht plötzlich ziemlich gut in die Höhe. Als endgültig der kreisrunde Krater erreicht ist, wird er durch führende und stützende Ketten unterstützt. Gut steil und felsig. Dafür aber ist dieses erhabene Gefühl, erstens den Weg geschafft zu haben, zweitens auf einem Vulkan zu stehen, drittens die perfekte Rundumsicht zu haben und viertens zu wissen, dass ein Hottube mit einem gut gekühlten Viking als absolute Entspannung nach dem Abstieg wartet, ein dermaßen geiles Gefühl, für den Moment gibt es kein besseres.
Snæfellsnes ist auch ohne eine signifikante Annäherung an den Snæfellsjökull großartig. Es gibt, die erwähnten oder beschriebenen Orte und es gibt eigentlich auf der ganzen Halbinsel nur Straßen, denen ich drei von drei Sternen geben würde, ob es nun Küstenstraßen waren oder ob sie sich durch die Berge schlängelten. Wieder und wieder könnte ich genau diese Straßen abfahren. Langeweile sehe ich da nicht so schnell auf mich zukommen. Zumal man ja auch nach dem ersten Kennenlernen gezielt reinwandern kann in die eine oder andere Ecke. Dazu die Unterkunft, die landschaftlich und strategisch einfach bestens platziert war.
Tag 5: Dennoch, es heißt Abschied nehmen, denn die Westfjorde stehen im Fokus. Und bis dahin sind absehbar noch einige heftige Kilometer in unserem pickepackevollen Jimny zurückzulegen. Entfernung ist das eine, entscheidend ist, dass bis zum Zielort einige Kilometer entlang der Fjorde zurückgelegt werden müssen. Einige davon über Schotterpisten, die zwar okay sind, aber schnell ist eben auch anders. Und – landschaftlich fesselnd und dementsprechend leicht zu fahren – die meisten Fjorde müssen ausgefahren werden. Abkürzungen gibt’s kaum. Da kommt gut Fahrstrecke zusammen. Gleichzeitig auch gut Zeit. Schon ganz gut, dass der Tag wirklich lediglich als Transferetappe eingeplant ist. Zwischenstopps gibt’s an der Deildartunguhver-Thermalquelle und an einem der vielen Wasserfälle. Bei unserem Halt in dem Gufudalurfjord auf der 60 sind wir schon ganz gut vorangekommen in diesem pittoresken Fjordsystem. Schön sonnig hier oben, aber auch gut windig.
Unsere Kilometer haben wir dann weitestgehend abgespult. Wir stehen am Patreksfjörður. Rechts geht’s nach Patreksfjörður, praktischerweise ist der Ort nach dem Fjord benannt. Oder umgekehrt, wer weiß. Links, zeigt Maps an, geht’s nach Hænuvík. Maps sagt ca. 35 km bis zur Unterkunft und so bisschen Schotterpiste macht uns ja auch nix mehr aus, davon hatten wir ja schon einige. Denken wir ungefähr bis zum Flughafen, der – wenig überraschend – Patreksfjörður heißt.
Ab da werden dem grandiosen landschaftlichen Reiz des Fjordes abgefahrenste Punkte hinzugefügt. Uns und das Auto treiben sie an den Rand des Wahnsinns. Aber sie werden von nachhaltigster Nachhaltigkeit sein. Die Schotterpiste lässt weiter an Qualität nach und wird schmaler. Natürlich gerade als sie anfängt, direkt jede kleine Bucht, jeden kleinen Berg mitzunehmen. Heftige Kurverei an steilen Abhängen direkt über dem Fjord. Gegenverkehr wäre jetzt nicht so toll. Trotz Urlaub, so richtig entspanntes Fahren ist gerad anders. So werden aus 35 Kilometern gut 60 Minuten Fahrzeit.
Endlich angekommen ist die Odyssee noch nicht ganz zu Ende. Am Ende der Welt Vermieter zu treffen, mit denen keine Verständigung möglich ist, ist blöd. Wenn sie einem eine Hütte zur Verfügung stellen, die bestenfalls für zwei ausgelegt ist, ist es saublöd. Zumal größer gebucht. Zum Glück ist überragendes Wetter. Weder aber wollen wir das übermäßig herausfordern noch unsere Nerven. Aus vier Nächten an diesem Ort machen wir also kurzerhand zwei; zwei weitere werden weiter nördlich in Núpur hinzugebucht.
Danach ist zum Glück der Weg frei, diese bombastische Bucht und die wahrscheinlich westlichste Unterkunft Europas zu genießen. Wir sind an der Grenze zwischen Atlantik und Nordpolarmeer und haben die Bucht für uns allein. Fast. Den gesamten Strand teilen wir uns mit ein paar Schafen und ein paar aufdringlichen Küstenseeschwalben. Baden im Nordpolarmeer gehört dazu und wird getoppt von einem erstklassig glühenden Sonnenuntergang. Die Luft ist sogar so klar, dass wir die Ostküste Grönlands sehen können. Glauben wir jedenfalls.
Tag 6: Wir sind bereit für Látrabjarg. Wieder geht es die Schotterpiste entlang, wir müssen auf die andere Seite des Bergrückens. Egal, die Spannung auf die Lundis, Puffins oder eben Papageitaucher treibt uns voran. Tja, und was soll ich sagen, die Kleinen brauchen keine Minute, um uns vollends für sich einzunehmen. Welche Attribute wir auch suchen und finden, seit heute weiß ich, dass die durchaus beeindruckenden Bilder nicht ganz an diese kleinen, possierlichen, hinreißenden Vögel in natura heranreichen. Absolut zutraulich kommen sie auf 20-30 cm heran, mehr aber lassen sie denn doch nicht zu. Ihr leichter, aufrechter und tippelnder Gang, ihr vermeintliches In-Positur-Stellen, ihr leicht unbeholfen wirkender Steilküstenanflug, diese bunten Taubenvögel sind ein Gesamtkunstwerk.
Und wie auf Bestellung ziehen dann vor der Küste auch noch Orcas vorbei. Whale watching ohne teuer Geld zu bezahlen. Besser geht’s ja nun wirklich nicht. Aber Látrabjarg ist auch Steilküste mit Wandermöglichkeit und so machen wir uns auf den Weg. Der Reiseführer sagt, dass über die Länge des Weges gern mal das Wetter entscheidet. Heute entscheiden wir; wir haben weiterhin bestes Wetter. Und wie.
Das haben wir dann auch ein weiteres Mal abends. Ein weiterer erstklassiger Sonnenuntergang, diesmal mit Wolken, was das ganze sehr dramatisch aussehen lässt.
Tag 7: Die Wolken sind uns erhalten geblieben, insgesamt deutet sich etwas kühleres Wetter mit einer tiefer hängenden Wolkendecke an. Zumindest für die Westfjorde. Auf geht’s nach Núpur, Schotterpiste ist unser Weg, unser Jimny schlägt sich wacker, wir uns auch. Einen willkommenen und längeren Zwischenstopp gibt es am Dynjandi, der in diversen Kaskaden gute 100 Meter nach unten fällt. Krass. Die Lautstärke ist krass, die Höhe ist krass, die Abgeschiedenheit ist krass.
Das Guesthouse Núpur ist dann ein ehemaliges Internat mit Hotelpreisen. Dusche und Toiletten auf dem Gang, die Zimmer haben Jugendherbergsstandard, der Speisesaal auch. In Island keine Seltenheit, aber dennoch muss man sich daran kurz gewöhnen nach den Ferienhäusern. Immerhin gibt es eine Kochstelle, die wir abends ausgiebig nutzen.
Interessant sind die zwei Tage dennoch, die Westfjorde sind der älteste Teil Islands und genauso ruhig und abgeschieden präsentieren sie sich auch. Viel ist hier nicht los, aber es ist wunderbar ruhig und – trotz des etwas diesigen Wetters – schön.
Abends setzen wir uns auf ein Bier in die Lobby und kommen mit den Studis, die hier für drei Wochen Isländisch lernen, und Einheimischen ins Gespräch. Spannend, was sie so über das Ausbildungssystem und die Unterbringung in Internaten so erzählen.
Tag 8: Auf geht’s nach Ísafjörður, Bolungarvík und Suðureyri. Mit ein paar umliegenden Fjorden. Es wird ein recht ruhiger Tag, einerseits ein wenig dem Wetter geschuldet, andererseits waren die Tage bisher auch sehr intensiv, da kommt so ein Tag ganz recht. Kurios ist der Botanische Garten Skrúður, gegründet von Pfarrer Sigtryggur Guðlaugsson, der gleichzeitig Internatsleiter war. Hat Pflanzen, die es ohne den Garten und die Pflege hier oben nicht geben würde. Eingeweiht am 7. August 1909, dem 150sten Jubiläum der Kartoffel in Island. Wir besuchen diesen Garten also genau einen Tag vor seinem Geburtstag.
Tag 9: Die Zeit im hohen Westen ist abgelaufen, von Núpur geht’s nach Brjánslækur zur Fähre. Gerade die höher gelegene Schotterpiste, der Vestfjarðavegur, hat es noch mal in sich. Die Wolken hängen extrem tief und eine Zeitlang sind wir komplett im Nebel verschwunden. Aber spätestens auf der Fähre lassen wir die Wolken dann hinter uns. Die Fähre spart uns den zwar schönen, aber doch recht langen Landweg. Gute Entscheidung. So kommen wir noch einmal ins hübsche Stykkishólmur. Das Thema Schotterpiste hat sich von nun an erledigt. Gern demnächst wieder mehr davon, für diesen Urlaub ist es ausreichend.
Der direkte Weg geht nach Reykjavik in eine Zwischenunterkunft. Für Henning allerdings geht die Tour heute zu Ende. Den Mietwagen nimmt der Vermieter anstandslos zurück, obwohl seit Látrabjarg ein fetter Kratzer am Spiegel und ein kleiner Krater in der Windschutzscheibe sind. Nun denn, ist ja zu unserem Vorteil. Danach Warten auf einen Flughafenbus, der mich wieder zurück in die Stadt und zum Luxhus Apt. nimmt. Da erwacht der Flughafen gerade zu seinem nächtlichen Leben.
Tag 10: Das letzte Abenteuer der Tour startet am Reykjavíkurflugvöllur, dem Mini-Stadtflughafen Reykjavik. Eine kleine Propellermaschine mit 38 Sitzen wartet darauf, uns nach Ilulissat zu fliegen.
Beim Flug über die Ostküste Grönlands sind Berge, Fjorde, Eisberge und Gletscher in so hoher Anzahl und Ausdehnung zu sehen, dass augenblicklich klar wird: Eis und Schnee haben hier eine überdeutlich andere Dimensionen. Und ich fand es schon beim Vatna im Süden Islands viel. Wenig später bestätigt sich dies beim Flug über den gigantischen Eispanzer. Der bedeckt den größten Teil Grönlands, 85% sind es. Zwei Stunden des dreistündigen Fluges geht es über die Sinne blendendes Eis. Eine Sonnenbrille wäre angebracht.
In Zahlen: der Eispanzer ist bis zu drei Kilometer dick, 2.500 km sind es vom eisigen Norden bis in den Süden, 2,16 Mio km2 Fläche hat die größte Insel der Welt. Ist damit ein bisschen kleiner als Kasachstan, wäre also in einem Flächen-Länderranking so ungefähr auf Platz 10.
In Ilulissat holt uns netterweise unser Vermieter Jannik ab, um uns gleich zum Apartment zu bringen. Kurz die Sachen abgestellt. Anschauen kann man sich die Räume immer noch. Viel interessanter sind das 4.500 Einwohnernest Ilulissat und der Eisfjord, der nach einem leichten Weg eine Stunde später erreicht wird. 4.500 klingt jetzt nicht so aufregend. In der Tat ist der bunte Ort recht überschaubar, aber die 4.500 sind knapp ein Zehntel der Gesamtbevölkerung Grönlands mit 56.000, was wiederum gut ein Fünftel der Einwohnerzahl von Braunschweig ist. Andere Dimensionen, andere Voraussetzungen in absolut jeder Hinsicht. Auch die Zahl der Taxis im Vergleich zu Privatautos fällt in die Kategorie andere Dimension. Wer hier beruflich kein Auto benötigt, nimmt für längere Strecken in der Regel das Taxi. Zu hohe Kosten sind mit dem Auto verbunden. Aber vor allem: das Auto ist beschränkt auf den jeweiligen Ort in Grönland. Verbindungen zwischen den Orten oder gar Überlandstraßen – Fehlanzeige. Wie auch, entweder man muss sie übers Eis oder übers Wasser nageln. Ein teures wie sinnfreies Unterfangen wenn es doch auch mit dem Boot geht, von dem hier nahezu jeder eines hat.
Die Wanderung zum Eisfjord also. Der ist von unserem erwanderten Standpunkt aus nicht zu überblicken. Auch einige waghalsige Klettermanöver über blanken und wetterfeuchten Fels, um andere Perspektiven einzunehmen, ändern nichts an diesem Eindruck. Letztlich ist es eine gewaltige Eismasse, deren Anfang nicht zu sehen ist und deren Ende erahnt werden kann, sicher aber ist es nicht. Und das genüberliegende Ufer – nicht zu sehen. Dennoch, es sind so viele verschiedene Eisberge. Schwer beeindruckend. Schön wäre es, das irgendwie von oben zu sehen.
Abends zeigt sich die perfekte Lage des Apartments an der Bucht. So richtig dunkel wird es eh nicht hier im hohen Norden. So darf denn die Sonne zeigen, was sie so kann. Und das macht sie ganz hervorragend. Es ist – so kann man das wohl sagen – eine so noch nicht gesehene, eine andere Welt voller Stille.
Obwohl die in der Bucht treibenden Eisberge die Kälte gewissermaßen nur so herausschreien. Gleichzeitig aber ist dieses Panorama von einem unendlich warmen Zauber, so dass es auch im T-Shirt auf dem Balkon keineswegs kalt wird.
Tag 11: Sonntag in Ilulissat ist genauso ruhig, wie in Deutschland auch. Irgendwo bimmelt eine Kirche, paar Geschäfte haben offen. Paar Touristen laufen durch den Ort. Zum Glück haben die rote Regenjacken von irgendeinem Veranstalter an, so dass sie sehr leicht zu erkennen und zu umgehen sind. Das brauch ich nun gar nicht; irgendwelche Betroffenheits-Pauschal-Touristen, die hier ihr geführtes Programm machen und rumschwätzen, wie ökologisch und sozial wertvoll jetzt diese Reise-Erfahrung für die Welt doch wäre, was sie ja faktisch nicht ist. Nix. Nie. Nicht davon.
Nicht dass wir uns falsch verstehen, ich bin dadurch, dass ich anders als pauschal reise, kein besserer Mensch. Will ich auch gar nicht. Und ich tu auch nix Gutes für die Umwelt, wenn ich mich in den Flieger setze und Kerosin verbrate, im Gegenteil. Bestenfalls etwas Bewusstsein für eine bald untergehende Welt ist damit verbunden. Ich tu aber auch nicht so, dass die Welt auch nur ein Stück besser werden könnte, wenn ich all diese Dinge tue und auch mal in ziemlich abgelegenen Regionen lande und da mein Geld lasse.
Aber ich schweife ab. Was Grönland nicht wirklich brauch, ist Geld, es bekommt ne ganze Menge aus Dänemark. Mir scheint, dass eine langfristige Perspektive fehlt. Verbunden mit zurückgehenden Eis und damit eingeschränkten Jagd- und Fangmöglichkeiten liegt eine Lethargie über der Stadt und wahrscheinlich auch über dem Land. Dazu kommt, dass Grönland vor allem bei Kindern und Jugendlichen eine der höchsten Selbstmordraten der Welt hat. Die Schulbildung ist schlecht, es gibt hohe Abbruchquoten, weil hier zunehmend die Perspektive fehlt. Sowas wie Aufbruch und den Blick nach vorn war ich hier kaum zu spüren.
Das war zwei Tage zuvor in Reykjavik noch anders. Als hätte es nie eine Krise gegeben erfindet sich das Hafenviertel gerade offensichtlich neu, ist die Hafenpromenade weiter gewachsen und sind Wohnviertel entstanden, die den Aufbruch nachdrücklich zeigen obwohl sie noch nicht mal fertig sind.
Allerdings hatten die Isländer auch nur eine kurzzeitige Krise zu überwinden. Den Grönländern geht da mehr und mehr die Identität flöten. Jagen und Fischen hat dieses Volk Jahrhunderte geprägt und noch immer geht es – natürlich – auch darum, aber mit dem zurückgehenden Eis wird genau dieses Leben immer schwerer. Der Ilulissat-Gletscher ist in den letzten zehn Jahren um zehn Kilometer zurückgegangen und was hier gilt, gilt auch anderswo im Land. Tourismus ist ein Vakuumfüller, aber der ernährt nicht alle und schon gar nicht im Winter. Was also auch bleiben wird neben unzähligen unglaublichen Bildern und Eindrücken und interessanten Gesprächen mit dem Vermieter des Apartments ist ein gewisses Fragezeichen. Ein Generationenprojekt.
Bevor es abends in die Eisberge gehen soll, schauen wir uns Ilulissat an mit der Bucht, an der man sich kaum sattsehen kann und laufen noch einmal zum Eisfjord, an dem man sich ebenfalls kaum sattsehen kann. Diesmal auf einem anderen, nicht ganz so einfachen Weg. Zum Abend geht es dann mit dem Boot Richtung Fjordmündung. Das Farbenspiel in der Abendsonne ist grandios, bisschen schade ist, dass sich die Sonne zunehmend versteckt und dementsprechend nicht mehr so lange unser Begleiter ist. Und so ergibt sich nach erwärmenden Bildern, nach erwärmenden Eindrücken ein kaltes, unwirkliches und irgendwie lebloses Areal durch das wir hier kreuzen.
Mit fortschreitender Stunde, wenn das Sonnenlicht weniger und weniger wird und sich die Farben auf Grau, Weiß und Reste von Blau reduzieren und eine bizarre Atmosphäre hervorzaubern wird’s noch kälter. Aber es ist gleichzeitig anziehend, berückend schön, pittoresk und schlicht überwältigend. Die Überwältigung wird unterstützt durch die Wucht der Eisberge, durch diese enorme, gespiegelte Farbreduktion. Alles fokussiert den Blick und die Gedanken letztlich auf genau diesen Ort. Auf nichts weiter. Wasser. Eis. Stille. Totale. Nichts weiter. Selbst das Boot wird hier draußen zur zwar wichtigen, aber nicht mehr wirklich existenten Nebensache.
Dazu diese Vielfalt an Formen. Es ist ein bisschen, als ob Architekten und Bildhauer am Werk waren, die sich darin übertreffen wollten, eine surreale und aberwitzig schöne Welt zu erschaffen.
Es ist, wie ich schon öfter schrieb: der Begriff von Schönheit ist mehrdimensional und er bekommt immer wieder neue Facetten. Hängt ja auch von der individuellen Blickrichtung und dem Willen ab. Ohnehin sind es immer die eigenen Emotionen, die das steuern.
Tag 12: Wann und wo bitte wann soll sich der langgehegte Wunsch nach einem Heliflug nicht besser erfüllen lassen als hier und heute über den zum UNESCO Erbe gehörenden Ilulissat-Gletscher. Oder Fjord und dann Gletscher oder wie auch immer.
Noch ist doofes Wetter. Es regnet, weswegen der Start von 10 auf 15 Uhr verschoben wird. Mehr Zeit fürs Frühstück und plötzlich reißt der Himmel auf. Ich denke, eine kurze Wanderung entlang des Fjords wäre nochmal toll. Natürlich mit ständigem Blick auf das Eis. Super Idee. Als ich den kurzen Weg durch den Ort zum eigentlichen Startpunkt meiner Wanderung gelaufen bin regnet es wieder. Nicht weiter schlimm. Wenn nur nicht der weitere Weg über feucht-schwammig-felsigen Untergrund hoch und runter ginge. Der Stand ist auf Dauer zu unsicher und regenfeuchte Kälte brauche ich gerade nicht so dringend. Halbe Stunde halte ich durch, dann suche ich die Heizung des Apartments.
Und nun der Heliflug im knallroten Air-Greenland-Heli. Natürlich ist dieser Flug scheißteuer aber dieser kurze Moment der Kosten-Nutzen-Frage liegt weit hinter uns. Das ist jetzt alles nur noch aufregend. Bequemes Sitzen ist nicht. Aber das ist egal als der Heli abhebt und uns recht fix auf den Eisfjord einschweben lässt. Nun werden die Dimensionen, nun wird die Eismasse sichtbar, nun wird auch klar, warum wir bei den Wanderungen zum Eisfjord so viel Eis und so wenig Struktur sehen konnten. Es ist gigantisch, berauschend, unvergesslich krass. Unter uns nur Eis. Der Fjord ist voll davon. Paar Nebenarme hätten vlt. auch noch ein paar kleinere Eisberge beizusteuern, aber es führt kein Weg hinein. Der Ilulissat-Eisfjord ist Selbstversorger. An der Mündung ist so viel Geröll am Grund angespült, dass es für die beständig nachrückenden Eisberge eine natürliche, nur schwer zu überwindende Barriere ergibt.
Zu diesem Zeitpunkt – und das überrascht ja auch nicht wirklich bei 35 Kilometern Länge – ist aber noch nicht zu sehen, woher das ganze Eis kommt. Natürlich wissen wir es, wir fliegen ja darauf zu. Oder glauben wir es zu wissen? Glauben wir, es fassen zu können? Oder sind schlicht die Werte ein bissel durcheinander geraten durch diesen Flug über den Fjord, der ja noch nicht mal abgeschlossen ist? Diesen Fjord gesehen zu haben glaubten wir an den beiden Tagen zuvor durch die Wanderungen. Aber das ist nun hinfällig, irgendwie jedenfalls. Was die Wanderungen keineswegs schmälern soll. Aber hier sehe ich nun, dass es wirklich nur ein Bruchteil war. Ein begeisternder zwar aber ein Bruchteil. Nun eben eine andere Dimension. Eine andere Perspektive. Die letzten Tage werden nochmal übertroffen.
Endlich kommen wir nach einer halben Stunde Flug an der Gletscherkante an mit ihren sieben Kilometern Breite. Man muss schon genau schauen, wo noch Inlandeis und wo schon der Fjord ist. Noch sind wir etwas entfernt. Diese sieben Kilometer breite Gletscherkante ist irgendwie zu sehen. Vor allem aber Eis und Weiß. Doch mit jedem Kilometer näher wird auch hier die Struktur klarer. Und endlich geht der Heli an einer Ecke des Gletschers runter. Ein wenig abseits der Kante ist Zeit, zu schauen und zu genießen. Absolute Stille und gigantische Eismassen. Dass wir abseits der Kante sind, hat seinen Grund. Im Sommer brechen hier auch mal bis zu 700 Meter große Eisberge ab mit entsprechenden Flutwellen. 2012 z.B. brach ein Stück von der Größe Manhattans ab. 75 min dauerte das Schauspiel.
Diese halbe Stunde ist voller Glück und voller glücklicher Schmerzen. Es ist ein Glück, diese Gletscherkante in der Gesamtheit zu sehen, diese Gletscherkante, die einen 35-km-Fjord unablässig speist, und dies ist ohne Zweifel einer der Momente des Urlaubs. Das Areal hier wirklich erfasst zu haben kann ich nicht behaupten. Irgendwie hätte ich das sicherlich gern. Sehr abstrakter Anspruch. Direkt über die Kante fliegen wäre schön. Und als ob der Pilot meine Gedanken lesen könnte dreht er beim Rückflug eine Runde direkt über die Nahtstelle, die das Ende des Gletschers und den Beginn des Fjords markiert. Totaler Wahnsinn!
Ich bin euphorisiert. Es ist nicht einfach nur die Kante, an der das Inlandeis sich in den Fjord schiebt. Es ist auch die Ahnung davon, mit welcher Kraft, mit welcher Wucht dieses Eis sich beständig voranschiebt und den Fjord erneuert. Gleichzeitig ist es so unendlich viel Eis. Der konkrete Blick verliert sich an dieser Stelle auch mal in Unschärfe. Es ist ein Meer aus Eis und Weiß. Ich versuche, so viel wie möglich in mir aufzusaugen. Und weiß, dass ich damit eigentlich scheitern muss. Dieses gesamte Areal ist nicht wirklich fassbar, es muss an Rändern unscharf bleiben. Eigentlich lassen sich nur Ausschnitte wirklich erfassen. Das tut diesem magischen Moment keinen Abbruch. Aber dem Fassbaren sind auch Grenzen gesetzt, was irgendwie auch schmerzt.
Gerade an dem Abend, als wir mit dem Boot unterwegs sind und einen Tag später mit dem Hubschrauber zeigt sich, was Farben, die ja gar keine sind, wie Weiß und Schwarz, alles können. An manchen Stellen sind die Farbkombinationen Schwarz-Weiß die einzigen, die zu sehen sind und strenggenommen die einzigen sinnvollen. Z.B. wenn die Gletscherzunge des Jacobshavn-Gletschers auf den Ilulissat-Fjord trifft. Da ist kein Grün dazwischen, das sind Schwarz und Weiß und Grau und dazwischen vereinzelt Blau. Und irgendwie verträgt dieses erhabene Schauspiel auch nicht mehr als genau diese Farben. Alles Farbige würde ablenken von diesem Bild.
Und auch am Gletscher diese phantastische Formenvielfalt, die diesen Ort noch unwirklicher und ungewöhnlicher als ohnehin schon erscheinen lässt.
Zurück zur Farbe Weiß. Nachdem ich irgendwann den ersten Gletscher oder ersten kleinen Eisberg gesehen habe, wurde mir schon klar, dass das Weiß von Schnee und Eis nicht nur aus Weiß oder Grau besteht, sondern unendliche Facetten zulässt; je nach Wetter, Licht usw. Was Weiß aber wirklich alles kann, weiß ich erst seit Ilulissat. Es kann anziehend warm aussehen, es kann strahlend kalt und trotzdem faszinierend aussehen, es kann grau und irritierend wirken und bläulich irritierend. Ich würde mich in dieser Welt, die schwer loslässt, auf Dauer verlieren. Und – auch das sehe ich als ein großes Geschenk dieses Urlaubs an – Weiß entfaltet seinen Zauber zusätzlich, wenn es aus den unterschiedlichsten Richtungen und zu den unterschiedlichsten Zeiten von der Sonne beglückt wird. Dann zeigen sich die Eisberge nicht kalt, klar und strahlend, sondern warm und Gülden und Weißblau und überhaupt in den unterschiedlichsten Schattierungen und Farbnuancen.
Tag 13: Und dann ist Ilulissat auch schon wieder vorbei, zu schnell ging alles. Letztlich haben wir alles gesehen, den Ort, den Eisfjord, den Gletscher, die Mündung des Eisfjords, dennoch empfinde ich gerade beim Schreiben eine große Melancholie. Diese Melancholie passt allerdings ganz hervorragend. Sie passt zum Abschied, sie passt aber auch zu dieser Bucht, zu diesem Ort, der eben nicht frei von Zukunftsängsten ist.
Wieder zurück in Reykjavik zeigt sich ein sehr pragmatischer Zug der Isländer. Angekommen auf dem immer noch kleinen Flughafen stehen wir – vor Gepäckband und irgendwelchem Schnickschnack – im Duty Free Shop. Bemerkenswert. Die Flughafenbetreiber wissen sehr genau, wie hoch die Steuern sind und setzen dieses Wissen konsequent in Handlungsaufforderungen um. Gefällt mir. Also erst mal Bier ordern, schließlich ist ja Urlaub und hier is billiger, der Rest ergibt sich dann inklusive Übernachtung wieder im Luxhus.
Tag 14: Das Wetter am letzten Tag ist brutal anstrengend, teilweise treibt ein Orkan den Regen waagerecht vor sich her. Da der Flieger erst um Mitternacht geht bisschen schwierig. Der Ausflug nach Hveragerði ist bei dem Wetter ganz nett, mehr aber nicht. Scheiß Regen. In den Gewächshäusern hier werden Bananen und Orangen gezogen. Erwartet man ja in Island auch nicht auf den ersten Blick. Die heißen Quellen und das Hochtemperaturgebiet kommen bei dem Wetter nicht wirklich zur Geltung, der geplante Gang durch den Park mit seinen heißen Quellen fällt aus.
Zurück nach Reykjavik. Besser. Harpa – Tónlistar- og ráðstefnuhúsið ist spannend und vor allem überdacht. Macht Spaß wegen der Architektur und Farbenspiele und darf als ein neues Wahrzeichen von Reykjavik, zumindest vom Hafen, gelten. Gleichzeitig steht es aber auch wie kaum ein zweites Gebäude in Reykjavik für Krise und Zusammenbruch, für Aufbruch und Zukunft. Der erste Anlauf, dieses millionenschwere Projekt zu stemmen, scheiterte jäh an der Finanzkrise. Doch so schnell wie das isländische Bankensystem kollabierte, so schnell erholte es sich offensichtlich wieder. Ebenso schnell war das Konzert- und Konferenzhaus wieder auf dem Plan. Zumal ja schon ein Rohbau stand. 2011 dann wurde es eröffnet. Nicht nur die Architektur des Hauses ist ein Hingucker, die Fensterfassade, deren Farbe sich je nach Witterung und Blickwinkel ändert, ebenso.
Unabhängig davon, aber dennoch parallel, erhält die Hafenpromenade sukzessive ein neues Gesicht und entstehen gerade im Westen Reykjaviks neue Stadtviertel. Ein Prozess, der immer noch anhält. Bemerkenswert, mit welch offensichtlicher Konsequenz die Stadt im Aufbruch ist. Als ob es hier eine Krise nie gegeben hätte.
Zum Essen in Hafnarfjörður darf ich mich einladen lassen, bei 62,– € für ein Menü lass ich mir das auch gern gefallen.
Der Rest des Tages wird auf dem Flughafen Keflavik verbracht. Fast ein Déjà-vu. Habe ich noch mit Henning drei Tage zuvor hier gesessen und über diese Lebendigkeit des Flughafens in den Abendstunden gestaunt, ist heute von der Ecke, in der wir da saßen, nichts mehr über. Sie ist einfach weggebaut. Und damit ist der Umbau längst nicht beendet wie wir jetzt feststellen. Krass, was hier läuft.
Bemerkenswert ist in der Rückschau der Kontrast, mit dem das Gesamtbild des Urlaubs unterlegt ist. Hier das pulsierende, mit großen Schritten der Zukunft zueilende Reykjavik, da die beschaulich-ruhigen Westfjorde mit ihrer grandiosen Natur, dazwischen Snæfellsnes mit dem majestätischen Snæfellsjökull, grandioser Landschaft und bezaubernden Örtchen und dann das unsagbar stille, atemberaubende, surreale und sozial schwierige Grönland.