Es klingt verrückt, aber außer Stanstedt oder Heathrow hat London nicht stattgefunden bei mir. Zum Jahreswechsel 2015/16 soll es nun sein.
Kurzentschlossene Resettaste nach nicht ganz einfachen Monaten ist angesagt. Entspannt beginnt die Tour und eigentlich völlig absurd. Auf Start in Bremen morgens in der Früh habe ich keine Lust zumal ich für die preiswerten Ryanairflüge eh zu spät dran bin. Die Variante mit Ausschlafen geht aber nur mit Umstieg in Zürich. Also fliege ich von H*** erst nach Zürich, um dort in den nächsten Flieger zu steigen, der mich nach London bringt. Vom Norden in den Süden zurück in den Norden. Zum Glück ist Zürich einfach nur groß, aber nicht so komplex und nervig wie Heathrow. Ich kriege also den Anschluss, lande pünktlich in Heathrow und später dann auch im Hotel gleich bei Paddington Station.
Der Tag ist damit noch nicht ganz zu Ende, in den Ankunftstag habe ich das Craven Cottage geplant. Hach wie schön. Ein Stadion mit unterschiedlichen Tribünen, ein Stadion mit Flutlichtmasten, ein Stadion im Ursprung von Archibald Leitch, dementsprechend schön ist auch das Giebeldach. Und die Lounge im Cottage als Alleinstellungmerkmal. Großartig ist der Auftakt, zudem es auch noch ein munteres Spiel gibt mit vielen Chancen und einem 4:1 für Fulham. Der Support kann da nicht ganz mithalten. Mit dem Herzen dabei, aber auch nur bei den Toren aktiv. Der Auswärtsmob von Rotherham United ist ne ganze Weile nach dem zwischenzeitlichen 1:1 recht laut. Hatte sich dann aber auch.
Weiter geht es einen Tag später mit einem ausgedehnten Gang durch die City. Zwischen Paddington und dem Buckingham Palace liegt der Hyde Park, also erledige ich das quasi gleich mit. Vor Buckingham dann ein krasser Menschenauflauf, 100 Meter weiter an der Wellington Arch ist das noch ganz anders. Zum Glück.
Allerdings wird es bei diesem Wechselspiel bleiben. Ab und an kann – und will – ich mich der Hektik entziehen, was auch gelingt, aber an manchen Punkten besteht nicht annährend die Chance dazu. Trafalgar Square ist so ein Punkt. Verkehrsknoten, historisch aufgeladen und zusätzlich die National Gallery und Portrait Gallery. Ziemlich viel los hier. Der Weg zu Westminster und Big Ben ist da eher entspannend. Vor Ort geht’s dann sogar noch, wenngleich mir die ganzen Penner mit ihren Selfiesticks, die IMMER im Weg rumstehen, um irgendein bescheuertes Bild von sich zu machen, doch gehörig auf den Sack gehen. Vielleicht hab ich ja nicht den richtigen Ansatz, aber wozu brauch ich ein Selfie von allem und jedem und mir, ich weiß doch, wo ich war. Und wenn ich es irgendwann mal nicht mehr wissen sollte, dann hilft mir das beschissene Selfie glaub ich auch nicht mehr weiter. Big Ben kann ich ja irgendwie noch verstehen, aber dieses ständige Selbstgeknipse immer und überall nervt schlicht ab.
Irgendwann ist mir auch jeglicher Respekt vor den Leuten, die da fotografieren wollen, egal, ich laufe einfach weiter meinen Weg und manchmal, wenn ich das Klicken der Kamera höre, während ich im Bild bin, freue ich mich, dass zumindest dieses eine Selfie nicht gelungen ist. Und genau in solchen Momenten hätte ich gern die gute alte Zeit der Analogfotografie zurück: 36 Versuche für den Film, da muss dann schon mal überlegt werden, ob’s noch ein beschissenes Selfie sein muss. Letztlich ist es ja so: die Motive sind ja oft ansprechend und vlt. möchte man sich ja wirklich dran erinnern. Warum aber packen so viele Menschen auch noch ihre unerträgliche Hackfresse mit drauf?
Genug abgeschweift. Mittlerweile habe ich mich von der Ästhetik Westminsters und Einzigartigkeit von Big Ben überzeugt, mich zieht’s also weiter zur direkt benachbarten Westminster Abbey. Krasses Teil. Hab ich mir groß, sehr groß vorgestellt, wirkt von außen aber eher moderat. So aber keineswegs innen. Schon sehr krass. Und überwältigend schön. Letztlich aber finde ich die Ausmaße, die Bildergewalt, die Scheiben und die architektonischen Überraschungen eindeutig zu viel für einen Besuch. Natürlich sind auch hier zu viele Touristen unterwegs, aber die sind mal gerade nicht das Problem.
Danach gedenke ich über die mondäne Victoria Street die Westminster Sammlung zu vervollständigen mit der Westminster Cathedral. Aber die ist irgendwie nicht weiter aufregend. Interessanter ist da schon zwischen modernen Hochhäusern das kleine Häuschen mit dem The Albert Pub. Es berührt meine Seele immer, wenn so etwas stehen bleibt und die moderne Fassade angenehm durchbricht. Es geht mir hier nicht nur um Pubs, die ja grundsätzlich immer erhaltenswert sind, sondern vor allem um den Erhalt von älteren Gebäuden, gerade weil sie eine hypermoderne Fassade so angenehm durchbrechen können, ohne sie zu zerstören.
Nach einem Pint suche ich den Weg zurück, nehme die Westminster gegenüberliegende Seite, aber das Licht wird schon leicht diffus. Aber der weitere Weg wird mir zeigen, dass ich das London Eye nicht will, also so als Mitfahrer. Gottegott, was ist denn hier los? Kaum Durchkommen und Schlangen ohne Ende, ich such mir ne Alternative. Lieber suche ich das lebendige Soho und China Town, um endlich auch was zu essen.
Der nächste Tag beginnt mit blauem Himmel und Sonnenschein. Geil. So macht’s ja noch mal mehr Spaß. Ich starte wieder am Trafalgar Square, es ist einfach ein faszinierender Startpunkt für Unternehmungen. Z.B. National Gallery mit William Turner.
Später geht’s von Westminster an der Themse entlang zum Tower, das Wetter lädt ja dazu ein, ich hoffe, dass der Weg ein positiver Begleiter sein wird. Das Themse-Ufer hat nullkommanull schicken Flanier-Boulevard oder sowas zu bieten, sondern an vielen Stellen aus der Bebauung hervorgehende Uferwege, die auch dann und wann mal unterbrochen sind. Tut der ganzen Wirkung aber keinen Abbruch wie ich finde, der Weg führt unter diversen Brücken hindurch, über manche hinweg und hat immer ein klasse Panorama zu bieten, welches sich ständig wandelt und deswegen nie langweilig wird. Und wenn man dann doch kurz vor Langeweile stehen sollte – was ja eigentlich unmöglich ist – , läuft man geradezu ins The Bankers mit der großartigen Möglichkeit, sich bei einem Pint direkt über der Themse zu entspannen und kurz Luft zu holen. Der Name ist natürlich nicht ganz zufällig, mittlerweile bin ich am Rande des Bankenviertels.
Ich steure die Bridge an. Richtige Entscheidung. Cooles Ding. Viel sichtbare Mechanik, viel riechbare Hydraulik und Mechanik. Gefällt mir sehr. Auch der weitere Weg über die City Hall zur HMS Belfast gefällt, gerade weil hier alt und neu aufeinandertreffen und zusätzlichen Reiz durch dieses Kriegsschiff erhalten.
Einen Geheimtipp hab ich mir bis zum Schluss aufgehoben: The Shade. Geiles Ding. Bis zur 69. Etage geht’s mit dem Fahrstuhl rauf, danach kann man noch drei Etagen laufen, wenn man denn will. Super Teil, oben hat man zwar den sicheren Blick hinter Panzerglas, aber nach oben ist diese Etage offen, schöner Einfall und architektonisch ansprechend umgesetzt. Und um Längen besser als das London Eye. Die Menschenmassen und damit verbundenen Schlangen haben mich ja schon beim Anblick sehr abgenervt, hier ist es deutlich reduzierter und damit sind auch deutlich weniger Selfiesticks und damit verbundene Menschen, die ihre Lebensbestimmung darin gefunden zu haben scheinen, Urlaub mit möglichst viel Selfies gemacht zu machen und dabei möglichst vielen anderen im Weg rumgestanden zu haben.
Entscheidend ist allerdings, dass einfach nach wie vor grandioser Sonnenschein ist, der eben auch gute Bilder unterstützt und quasi provoziert. Und so darf ich ein Panorama vom feinsten genießen, ein Panorama, welche sich vom Tower über St. Pauls Cathedral bis hin zum London Eye und House of Parliaments zieht. Es ist einfach großartig.
Und weil mir der Weg so gefallen hat, nehme ich zurück zum Westminster Distrikt wesentlich den gleichen Weg. Ein Pint über der Themse im Bankers hätte ich gern noch genommen auf Hälfte des Weges, aber der hat bereits geschlossene Gesellschaft – die Stadt bereitet sich auf die Silvesterfeierlichkeiten vor. Diese begehe ich ohne großen Trubel in einem Pub um die Ecke vom Hotel.
2016 beginnt grau und ruhig, scheint so, dass sowohl Menschen als auch Stadt als auch Wetter sich erstmal sortieren müssen für das neue Jahr. Über die Oxford Street geht’s Richtung Garrik Street beim Leicester Square, sehr lebendig hier, gefällt mir. Aber auch kein Wunder, die Ecke ist ja gleich China Town und Soho benachbart und Trafalgar Square ist auch nicht weit. Nochmal an Westminster Abbey vorbei zu Churchills War Rooms zum St. James Park mit Flamingos, Schwänen usw. Schönes Ding, auch in der etwas trüberen Jahreszeit.
Danach geht es ziemlich direkt zu den Queens Park Rangers, britisch schön gelegen im Wohnviertel und mit Flutlichtmasten. Zielsicher, um noch ein Pint vor dem Anpfiff zu nehmen, treffe ich Sandra und Rocky. Das Stadion finde ich nicht ganz so aufregend wie das Craven Cottage, aber es hat trotzdem was. Britisch eng, ganz nah an der Linie, ganz nah am Geschehen. Lass es bitte bitte noch ganz lange solche Stadien geben. Der Support ist ziemlich enttäuschend. Außer der Kollege bei mir im Block, der alle zwei min. als einziger „Come on you R’s“ brüllt, kommt herzlich wenig. Gut, mit dem zwischenzeitlichen 1:1 hatte er ja dann auch quasi Erfolg. Hielt halt nur ne Minute. Dann schießt Hull den 2:1-Siegtreffer. Die Nachspielzeit hat übrigens für die eine oder andere Länge im Spiel entschädigt. Und da war dann auch das Stadion da. Ansonsten der Fußball very britisch. Leidenschaftliche Grätschen, sehr schnell, aber damit auch häufig sehr ungenau.
Lass es bitte bitte auch noch lange solche Pubs wie den Springbok geben. Ein großartiger Laden, ein Vereinsheim vom allerfeinsten. Mit der nötigen Patina, mit der nötigen Architektur und vor allem mit den nötigen Leuten. Ein ums andere Mal fühlen wir uns nach dem Spiel an die gute alte Stadiongaststätte in Braunschweig erinnert, wo noch Typen rumgelaufen sind, wo nicht alles glatt und stylisch war, sondern Ecken und Kanten hatte, wo Fußball noch im Mittelpunkt war oder zumindest der Verein irgendeine Rolle spielte und nicht das Selbst. Ich weiß, Zeiten ändern sich und ich habe den Umbau sehr positiv begleitet und beschrieben, diese seelenlose und überteuerte Wahre Liebe indes habe ich seit Beginn kritisch gesehen. Und The Springbok gibt mir irgendwie Recht. Es ist möglich, auch außerhalb des Stadions etwas Vereinsnahes zu haben, was auch von den sog. normalen Fans angenommen werden kann. Vlt. sollten wir zukünftig einfach mehr das Tennisheim supporten.
Das Samstag-Spiel ist nicht wie QPR lediglich fünf U-Bahn-Stationen vom Hotel, sondern mehr oder weniger einmal quer durch die Stadt. The Valley von Charlton Athletic ist im weitesten Sinne in der Nähe der Docklands und so breche ich etwas früher auf, um das dortige Bankenviertel anzuschauen und zu sehen, was aus dem ehemaligen Hafenviertel geworden ist. Die Skyline ist schon ziemlich mächtig und der Wandel des Viertels muss gewaltig sein, bei meinem nächsten Besuch muss ich mir das mal noch genauer anschauen. Allerdings ist es auch so, wie in allen Bankenvierteln dieser Welt: alles ist schick und glitzert, am Wochenende oder an Feiertagen aber ist dann nicht so viel Leben hier.
Umso mehr Leben ist dann später im „The Antigallican“, zu dem uns Nils gelotst hat. Hier sind vor allem Nottinghamer und auch paar Kölner, wie sie mit Schal und Tasche auch jedem zeigen müssen. Als ob es einen Tommy interessieren würde, dass Kölner sein Spiel besuchen. Nach ein paar lauten Minuten Geduld gelingt es uns, noch ein Getränk zu nehmen, danach geht’s ins Valley. Tolles Stadion. Drei zusammenhängende Tribünen, eine freistehende, die komplett von den Gästen gefüllt wird. Die bringen allerdings fast null Support. Der Heimbereich hingegen supportet fast durchgängig. Überraschend für englischen Fußball haben die auch ne Trommel am Start. Charlton Athletic und Nottingham Forest trennen sich 1:1.
Der letzte Tag. Bisschen genieselt hat es ja gestern immer mal wieder. Heute regnet es doch heftiger und fast durchgehend. Aber das Verkehrsnetz in London ist top, so dass es mir weitestgehend gelingt, trocken zu bleiben. Madame Tussauds ist Pflicht und trotzdem ich vorher keine Karte geordert habe, geht es mit dem Reinkommen recht fix. Das Programm von Tussauds ist bekannt, was mich überrascht hat ist, wie lange Merkel jetzt offensichtlich im Amt ist. Die Figur, die da steht, sieht unserer Regierungschefin nicht soo 100%ig ähnlich. Bisschen älter geworden inzwischen. Paar kleinere Überraschungen noch und schon sind unterhaltsame zwei Stunden vorbei.
Weiter geht’s zum Maritime Museum. England blieb ja irgendwie nichts anderes übrig, als eine Seefahrernation zu werden und einem der großen Helden ist ja sogar DER zentrale Platz gewidmet. Ich erwarte also Schiffsmodelle aus verschiedenen Epochen, einen Kurzabriss über Trafalgar und jede Menge Schlachtengemälde und ich werde nicht enttäuscht. Im Museumsshop hätte ich mir abschließend noch die einschlägigen Klassiker der Filmgeschichte kaufen können. Schon ganz lustig hier. Später geht ganz unaufgeregt der Flieger.