Als der Teamchef den ersten Auftritt von Lechia Gdańsk nach 20 Jahren Abstinenz in der 2. polnischen Liga als Ziel ausgibt, greifen Henning und ich beherzt zu. Recht schnell sind wir auch in Polen, nur wartet da noch jede Menge Landstraße auf uns. Meine Hoffnung, das Nachtschicht-Schlafdefizit während der Tagesfahrt ausgleichen zu können, erfüllt sich leider nicht.
Die erwartete Fahrt über Landstraßen des polnischen Nordens mögen möglicherweise sehr entspannend sein; mit dem Teamchef werden sie sehr lustig, aber schlaffördernd sind sie sicher nicht. Also kein Pennen. Naja, gibt Schlimmeres. Gdańsk erreichen wir trotz in der Hektik geäußerter Befürchtungen so rechtzeitig, dass wir uns die alte Hansestadt in Ruhe anschauen können. Ganz klar zu empfehlen.
Später steht das Spiel Lechia Gdańsk – Jagiellonia Białystok an im Lechia-Stadion. Ein schlichter, etwas in die Jahre gekommener Bau, allerdings keineswegs rott und schon gar nicht langweilig. Die Tribüne noch mit Resten des Holzes, aus dem sie wohl früher einmal komplett bestanden hat. Die etwas modernere Dacherneuerung will für meinen Geschmack nicht so ganz zu der old-fashioned Tribüne passen. Marginalien aber in einem ansonsten muggeligen Stadion, welches mit 9.000 Zuschauern auch ansehnlich gefüllt ist. Schön-heftige PyroChoreo(s) der Heimsupporter, zuweilen auch heftig lauter Support vom ganzen Stadion, besonders beim lauten „Lechia, Lechia“.
Gästekurve: ca. 20 min. Support und dann gar nichts mehr, wobei das Spiel der ihrigen so schlecht nicht war. Man stand halt da in den Farben Gelb und Rot, das aber einheitlich. Ein Elfmeter zum 1:1 für die Gastgeber war fortan das Signal, komplett auszuticken: Was da alles zertrümmert worden ist und geworfen worden ist, beachtlich; so manche Sitzbank war dabei. Die Antwort erfolgt mit Wasserwerfern. Das zog sich ca. 20 min hin, die Reaktionen auf allen Seiten war routinierte Unaufgeregtheit. Is halt normal in Polen. Das war’s dann aber auch, nach Abpfiff eine Polizeieskorte zum Bahnhof für die auswärtigen Hools, mehr haben wir nicht gesehen. Keine Festnahmen, Personalienfeststellungen o.ä. … In Deutschland undenkbar.
In Gdańsk oder Gdynia spontan eine preiswerte Unterkunft zu finden, erweist sich danach erwartungsgemäß als etwas schwieriger, kein Wunder an der Ostsee. Etwas weiter im Landesinneren finden wir dann aber etwas. Endlich komme ich dazu, auch mal zu schlafen und das zum Glück auch länger, den unser nächstes Tagesziel ist nicht sehr weit. Und das für den schlanken Preis von 15 € incl. Frühstück. Entspannt kurven wir also am nächsten Tag durch die Gegend und nehmen uns bei der Marienburg die gebotene Zeit. Von 1309 bis 1454 Herrschaftszentrum des Deutschen Ordens im ostpreußischen Ordensstaat; Genealogie wird zuviel an dieser Stelle; aber soviel ist gewiss und wichtig, der Deutsche Orden oder Deutschritterorden geht auf die Kreuzzüge zurück, war an der Ostkolonisation im 13. Jhdt. beteiligt, und verlor den Einfluss im Zuge der Reformation 1525. Gebietsverluste folgten und so wurde die Burg erst unter Kaiser Wilhelm II. wieder wichtig für die nationale (deutsche) Identität. Später begierig aufgenommen von den Nationalsozialisten und in den Rang einer „NSDAP-Ordensburg“ erhoben. Heute ist die Burg ein Touristenmagnet. Liegt mit Sicherheit nicht am Schlöndorff-Film „Der Unhold“. Der war eher mittelmäßig und erntete die dementsprechende Beachtung, auch wenn einige der Szenen hier gedreht worden sind.
Anschließend wird das ursprünglich beabsichtigte Sonntagsziel erreicht: Nowe Miasto Lubawskie. Zweite Liga erneut mit KS Finishparkiet Nowe Miasto Lubawskie – Górnik Polkowice (3:1). Hier bin ich wirklich überrascht, weil ich eigentlich mehr als nur Verbandsligaformat erwartet habe. Nun denn, der Ground ist es auf jeden Fall, der Support geht denn doch darüber hinaus, das Spiel ist überraschend gut, aber an den vorherigen Tag reicht hier gar nichts heran. Der Rest ist Heimreise mit Ankunft in BS um 2 Uhr.