Pokallegende 1. FCM / Mythos ERNST-GRUBE-STADION

Ernst-Grube-Stadion_10

Valur Reykjavik, Maradona, Menotti und der 1. FC Magdeburg. Wie alles anfing.

Ohne Zweifel gehören die Flutlichtmasten des Eintracht-Stadions zu den schönsten der Welt. Aufgewachsen bin ich indes unter den allerschönsten der Welt:-). Bis heute schlägt mein Herz einen schnelleren Takt bei Spielen unter Flutlicht, was nicht unwesentlich mit der nach wie vor höchst lebendigen Erinnerung an mein erstes Spiel im Ernst-Grube-Stadion zusammenhängt. 1978 war das und der 1. FC Magdeburg empfing Valur Reykjavik aus Island. Vor allem dieser Satz aus dem Programm hat sich mir eingeprägt: „Island, etwa von der Größe der DDR, besitzt nur etwa 280 000 Einwohner, also mit Magdeburg zu vergleichen.“ Spannend und eine Spur exotisch, wahrscheinlich war damit die Saat gelegt für Island. Nie werde ich diesen Abend vergessen und irgendwann durfte ich diese faszinierende Insel ja auch kennenlernen. Und das sogar mit einem Spiel von Valur.

Zurück zum Europapokal, in der 2. Runde wurde Ferencvaros Budapest ausgeschaltet, ehe sich im Viertelfinale Banik Ostrava durchsetzen konnte.

Bizarr und noch beeindruckender war es fünf Jahre später. Wieder Europapokal der Pokalsieger. Nachdem in der Vorrunde Swansea City rausgekickt werden konnte, kreuzten am 14. September 1983 der 1. FC Magdeburg und CF Barcelona die Klingen. Die 1. Hauptrunde stand an. An Karten für dieses Spiel war nicht zu denken, nur wollte ich das als junger Bub nicht einsehen.

Um meinem Quengeln ein Ende zu setzen, wurde meine Cousine aktiviert. Die war seinerzeit mit dem Chef des Interhotels Magdeburg zusammen und so wurde dieser beauftragt, Karten zu besorgen. Machte er auch prompt und gern und so sorgten mein Vater und ich vier Stunden vor dem Anstoß im Interhotel für schwer irritiertes Personal, als wir mit einem zutreffenden „Wir haben einen Termin!“ einfach bis zum Chef durchgingen.

In der DDR? Im Interhotel? Zum Chef? Dreimal eigentlich unmöglich. Aber als Maradona und Menotti in der Stadt waren, tickten die Uhren anders. Auch der vor dem Spiel einsetzende Regen war spätestens egal, als die Mannschaften zum Warmmachen aufs Feld kamen. Und erst recht, als Maradona und Schuster, seinerzeit Taktgeber beim CFB, mit dem einen oder anderen Kunststück aufwarteten. Ganz große Europapokalluft war das schon weit vor dem Anpfiff.

Und sie blieb es auch danach. Schuster und Maradona machten bereits nach 14 Minuten klar, wohin die Reise heute gehen sollte. Tapfer hielt der FCM dagegen, schaffte sogar den Anschluss durch Pommerenke, doch die Leichtigkeit des Seins siegte. Zweimal noch Maradona, dazu Alonso. Ich war beseelt. Dass der FCM nicht die Spur einer Chance haben würde, war vorher klar, aber er hatte sich gewehrt, sogar ein Tor geschossen gegen einen Gegner vom anderen Stern. Zwei Stunden durfte ich den einzig wahren Weltfußballer des Jahrhunderts bewundern.

Was für ein großer Abend auf diesen langen Holzbänken im altehrwürdigen Ernst-Grube-Stadion. Noch heute denke ich bei diesem leider inzwischen abgerissenen Stadion besonders an diesen Abend, an die ausgetretenen Stufen, an die Schalmeien-getragene Stimmung, an die Holzbänke und an dieses hinreißende laufbahnumschlossene Grün, welches sich in seiner ganzen Schönheit eben nur unter Flutlicht zeigen kann.

Und ich denke bei Flutlichtspielen unweigerlich auch an den Europapokal der alten Schule, eben diesen Europapokal der Siegen-oder-Fliegen-Arithmetik mit hinreißend exotischen Mannschaften.

Zwei Mal durfte ich den FCM danach noch im Europapokal erleben, 1986 gegen Athletico Bilbao und 1990 gegen Rovaniemi PS und Girondins Bordeaux jeweils im UEFA-Pokal. Und natürlich in unzähligen Liga-Spielen und vor allem im FDGB-Pokal, dem Revier des 1. FC Magdeburg. Unvergessen die Fuwo am 7. Juni 1983, dem FC Karl-Marx-Stadt wurde kurz zuvor im Pokalfinale keine Chance gelassen. „FDGB-Pokal bleibt Domäne des 1. FCM!“ und im Bericht fast ein bissel poetisch „Es bleibt dabei: Wer Pokal sagt, meint den 1. FCM!“. Und natürlich wird Achim Streich Torschützenkönig und Fußballer des Jahres in dieser Saison.

Sieben Endspiele im FDGB-Pokal – sieben Siege: 1964, 1965, 1969, 1973, 1978, 1979, 1983.

Ein Endspiel im Europapokal der Pokalsieger – ein Sieg: 1974.

Drei Meisterschaften: 1972, 1974, 1975.

Leider habe ich nie Flutlichtbilder gemacht im Ernst-Grube-Stadion. Dafür habe ich 2005 einen Besuch mit Andreas im Heinrich-Germer-Stadion, welches auch schon Europapokalluft geschnuppert hat, u.a. Arsenal London und den AC Turin gesehen hat, genutzt, um die Baustelle Ernst-Grube-Stadion abzulichten und die Flutlichtmasten nicht nur kurz vor ihrem Ende abzulichten sondern auch noch hinaufzuklettern. Jede Stelle des scheidenden Stadions musste aufgesogen werden.

Eingeweiht wird das Ernst-Grube-Stadion am 18. September 1955, ua. 150.000 Kubikmeter Trümmerschutt aus der zerstörten Stadt sind zu den Wällen aufgeschüttet. 36.200 Stehplätze, 2.800 Sitzplätze, 40 Ehrenplätze hat das Stadion. 1972 folgen die markanten, 56 Meter hohen Flutlichtmasten, die am 7. Januar 1972 eingeweiht werden. Dynamo Dresden wird 2:1 besiegt. Sechs Jahre später, im September 1978 folgt die elektronische Anzeigetafel. Eingeweiht wird sie am 27.9.1979 mit dem 4:0-Europacupsieg gegen Valur Reykjavik. Eine doppelte Premiere also für mich bei meinem ersten Spiel im Grube.

Am Ende wird das Grube 524 Meisterschaftsspiele, 32 FDGB-Pokalspiele, 31 Europapokalspiele, 10 IFC-Spiele, 23 Länderspiele gesehen haben. Das letzte Spiel im Grube ist am 4.12.2004.

Am 19. Dezember 2006 wurde an gleicher Stelle der Stadionneubau eröffnet und für mich vereinigen sich an diesem Tage zwei Leidenschaften beim Spiel zweier Traditionsvereine. Der 1. FC Magdeburg spielt vor 13.000 Zuschauern gegen Eintracht Braunschweig und wie es sich für einen solchen Anlass gehört endet das Spiel unentschieden.

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