Kurz vor Ostern: ein paar Tage Urlaub und die Umwandlung des Probe- in einen Festvertrag soll würdig begangen werden, schließlich habe ich lang genug drauf hingearbeitet. Dublin und der Spielplan der Irischen Liga rücken in den Focus.
Eine Unterkunft in Dublin ist schnell gefunden, zumindest die Adresse. Die Unterkunft finde ich erst nach einem „strong irish walk“, was in diesem Falle nur eine halbe Stunde ist. Ich beginne an meinem Informanten zu zweifeln; der ist Fleischer, unzweideutig Ire und hält ne halbe Stunde Fußweg für ne Erwähnung wert? Ich bin enttäuscht. Egal, die Klamotten sind abgestellt, Dublin wartet und der erste Weg führt mich am Croke Park vorbei gen City.
Ist es möglich, am Croke Park unbeeindruckt vorbeizugehen? Nein! Mit welcher Wucht und Größe sich das Stadion aus einem unbeeindruckenden Wohnviertel heraushebt, nötigt mich, der Stadionarchitektur nicht abgeneigt, zum Hinsehen. Ich nähere mich dem extrem gesicherten Teil und Nationalheiligtum. Mal einfach rein „to look around“ is nich. Anders als die Fußballstadien der Eircom Division, in denen ich mich unbehelligt frei bewegen kann, ist es hier anders; ganz klar ein Fingerzeig auf den Stellenwert des Gaelic football in der Irischen Gesellschaft, dem mit Sicherheit erhebliche Bedeutung in der national-kulturellen Entwicklung Irlands zugewiesen werden kann. Schlicht gesprochen: der Fußball ist in diesem Land ganz klar nicht die Nr. 1.
Schwer beeindruckt geht’s weiter Richtung City. Andere Reize hält sie bereit. Der River Liffey, gesäumt von allem, was eine Großstadt zu bieten hat, vor allem Verkehr. Mitten im Zentrum teilt er die Stadt, was diverse innerstädische kleine Brücken nach sich zieht. Schön ist es, wenn das Gefühl, der Großstadthektik kurz entfliehen zu müssen, zu stark wird, kurz in der Mitte irgendeiner Brücke stehenzubleiben und einfach alles um sich herum laufen zu lassen. Herrlich entspannend!
Als Nächstes das Castle, kompakt und überhaupt nicht mondän, sehr schön anzuschauen. Weiter zieht’s mich zur Christ Church Cathedral, normannisch-fest steht sie in der Innenstadt und ist satte 100 Jahre älter als der Dom in der Stadt Heinrichs des Löwen. Ebenso normannisch fest steht die St.-Auodeons-Church gleich um die Ecke. Nicht weit davon huldigt die St. Patricks-Cathedral einem der Säulenheiligen der irischen Geschichte. Bei bestem Wetter (wer sagt eigentlich, dass es in Irland immer regnet?) lädt der zugehörige Park nach dem bisher nicht unerheblichen Fußweg zu Ruhe und Entspannung ein. Nicht nur das genieße ich, sondern vielmehr noch die ersten wirklich fühlbaren Sonnenstrahlen.
Der weitere Weg: Victorianische Wohnviertel, Wohnviertel mit auf den ersten Blick eintönigen Häuserzeilen. Aber was heißt eintönig. Es ist wie in jeder Stadt, man muss sich auf sie einlassen, denn auf den zweiten Blick offenbart sich, wie dieser vermeintlichen Eintönigkeit begegnet wurde, die Oberfenster und vor allem die reichhaltige Farbpalette offenbaren die eine oder andere Überraschung. Man muss sich halt Zeit nehmen in dieser Stadt, denn auch wenn sie auf den ersten oberflächlichen Blick etwas spröde daherkommen mag, zeigt sich recht schnell eine extrem spannende und vor allem lebendige Stadt.
Nach ca. 15 km Fußmarsch durch die Stadt soll’s das aber fürs erste gewesen sein und ich gedenke, meinen Abend im Pub ausklingen zu lassen. Gute Idee, urgemütlich ist’s. Schade nur, dass mein sehr kommunikativer Nachbar erstens schon hörbar länger dem süffigen Guinness frönte und zusätzlich noch einen sehr ins gälische gehenden Dialekt sprach. Ein wirkliches Gespräch kann man das, was wir miteinander führten, nämlich nicht
nennen und das lag definitiv nicht an meinen eingerosteten Englischkenntnissen. Kurz bevor der Barkeeper ihm weiteres Guinness verweigert, fragt er mich innerhalb von fünf Minuten doch tatsächlich 3x „Where do you come from?“, was ich – freundlich wie ich bin – auch jeweils beantwortete. Noch Fragen?
Um nicht nur das faszinierende Dublin zu sehen, zieht es mich am nächsten Tag natürlich auch ins Umland. Große Sprünge sind aufgrund der Kürze der Zeit nicht möglich, aber zu Malahide soll es locker reichen. Es sei das einzige irische Schloss, das bis 1976 800 Jahre ununterbrochen von einer irischen Familie bewohnt wurde, so berichten die Reiseführer. In diesem Zusammenhang kommt auch der Boyne River ins Spiel, an dem 1690 ein entscheidender Kampf zwischen Protestanten und Katholiken stattgefunden hat und vor diesem die Talbots als Besitzer – jetzt schließt sich der Kreis – in eben jenem Schloss ordentlich tafelten. War ne Niederlage für den Katholiken Jakob II., aber kenn ich mich in den Einzelheiten mit der irischen Geschichte aus… Mitnichten… Aber die Talbots waren auf der richtigen Seite, also der Gewinnerseite oder wie auch immer; schöne Geschichten, um die ich mich aktuell nicht wirklich kümmern muss, denn ich habe Urlaub.
Angesichts des überragenden Wetters muss dieser Ausflug um einen Abstecher zur Halbinsel Howth bereichert werden, um nachfolgend die Dubliner Bucht bis Dalkey zu befahren. Grandios ist alles. Die Kombination üppige Sonne, hübsche kleine Halbinsel, viel Wasser und ein fesselndes kleines Fischerdörfchen führt im Folgenden ganz unmerklich zu einem ausgewachsenen Klippenrundgang mit gut verbrannter Haut.
Der Weg nach Dalkey ist ja eigentlich „nur“ eine Bahnfahrt mit der DART, führt aber mehr oder weniger konsequent an der Küste entlang. Dalkey ist im Gegensatz zu Howth deutlich mondänder und deutlich gepflegter, man nennt so was wohl gepflegtes kleines hübsches Küstenstädtchen mit üppigen Klippensteinen. Sehr stark und ein Dank an meine nette Gesprächpartnerin in Malahide, die mir diese Tour ans Herz gelegt hat.
Überraschend gestaltet sich der Abend: die unzähligen Pubs, bei Tageslicht schon hinreichend begutachtet, werden mit Kumpel Fred einer Qualitätsprüfung unterzogen. Der hält sich zufällig zum Zeitpunkt meines Urlaubs in Dublin auf. Besser hätte man es vorher nicht absprechen können. Der „Pub als verlängertes Wohnzimmer der Iren“, so steht es wohl in jedem zweiten Reisführer. Liest sich nicht nur gut, ist auch so. Kommunikativer Ort für alle Generationen und vor allem ein Ort, an dem auch „Fremde“ herzlich willkommen sind und auch so empfangen werden. „You’re welcome“ nicht als Formel, sondern als unverfälscht gelebte Gastfreundschaft. Sehr schön fand ich auch den herzerfrischend lockeren Umgang mit dem Rauchverbot in den Pubs: lamentieren über dieses Verbot ist nicht, man geht einfach vor den Pub zum Rauchen und lernt neue Leute kennen.
Den folgenden Tag widme ich neben den noch fehlenden Ecken von Dublin (u.a. gehören -eigentlich selbstverständlich- Abstecher gen Jameson und gen Guinness dazu; beides aber weniger spannend) auch den Stadien. Zunächst aber genieße ich das pulsierende Leben auf der O’Connell St. mit der Spire, einem pyramiden-nadelähnlichen Teil, welche an die Stelle der Nelson-Säule getreten ist, die da nicht mehr steht, seit sie 1966 von der IRA weggesprengt worden ist. Andere bzw. weitere Teile des victorianischen Dublin warten selbstverständlich auch noch, ein paar Eindrücke vom Rande des Zentrums gesellen sich hinzu. Ein wenig weiter hinaus geht’s dann zum Lansdowne. Das Croke Stadium habe ich ja schon bewundert, nun soll es noch ein weiteres Heiligtum des Rugby sein. Ich habe Glück und kann hinein, weil auf den Nebenplätzen trainiert wird. Schönes großes Teil ist das, was aber, weil leer und damit nur halb so spannend, getoppt wird durch die direkt unter der Haupttribüne fahrende DART.
So vorbereitet, ist am Abend mit Bohemians Dublin FC – St. Patricks Athletik der Länderpunkt Irland mein Ziel. Der Dalymount-Park ist, wie es sich für den irisch-britischen Fußballkulturkreis (noch) gehört, mitten im Wohnviertel gelegen. Hinreißend ist die enge Gasse zum Stadion. Aber auch im weiteren zeigt sich, wie eng das Stadion im Wohnviertel eingebettet ist. Das schönste am Kick sind die vollbesetzte Tribüne und die sich in zuweilen heftigem (englischen) Support äußernde Derbystimmung. Das Spiel ist mäßig und endet gerechter- und konsequenterweise 0:0. Abschließend im Tolka-Park noch eine Halbzeit von Shelbourne FC – Dublin FC, von Derbystimmung keine Spur und das Niveau ist auch nicht weiter der Rede wert. Shelbourne gewinnt 1:0. Das Thema Fußball ist damit auch erledigt und so geht es am nächsten Morgen zurück in die Heimat.